Mönchengladbacher Integrationsrat protestiert gegen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeindeordnung

Hauptredaktion [ - Uhr]

bzmg-imgp0748Wie in 60 weiteren Kommunen in NRW protestierten gestern (19.05.2009) auch in Mönchengladbach Mitglieder des Integrationsrates gegen den von der NRW-Landesregierung (CDU/FDP) eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des §27 der Gemeindeordnung (GO).

imgp0749Anwesend waren etwa fünfzig Menschen mit Migrationshintergrund, die teilweise Mitglieder im Mönchengladbacher Integrationsrat sind, Integrationsratsmitglieder der politischen Parteien sowie der kommunalpolitische Sprecher der SPD, Hans-Willi Körfges, („ich habe mich selbst eingeladen“). Die Vorsitzende des Integrationsrates Gülistan Yüksel (Bildmitte) hatte bewusst kein politischen Parteien eingeladen.

(außerdem im Bild v.l.: MdL Hans-Willi Körfges, Stephanie Lüngen SPD-Ratsfrau und Mitglied im Integrationsrat, Martin Kirschbaum, CDU-Sprecher im Integrationsrat, Monika Halverscheid [leicht verdeckt], Ratsfrau von B90/Die Grünen und Mitglied im Intergrationsrat)

Körfges erklärte, dass der überwiegende Teil seiner mit diesem Thema befassten SPD-Landtagskollegen – ebenfalls uneingeladen – zu den zeitgleich stattfindenden Protestveranstaltungen in ihre Kommunen gefahren sei.

In der aktuellen Gemeindeordnung ist u.a. festgeschrieben, dass „in Gemeinden mit mindestens 5.000 ausländischen Einwohnern ein Integrationsrat zu bilden ist. Die Mitglieder des Integrationsrates werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl für die Dauer der Wahlzeit des Rates nach Listen oder als Einzelbewerber gewählt. Die Wahl findet spätestens innerhalb von acht Wochen nach der Wahl des Rates statt.“

bzmg-imgp0741Seit 2004 gibt es einen Integrationsrat, der auf der Grundlage der NRW-GO eingerichtet wurde und sich nach Auffassung aller im Mönchengladbacher Rat vertretenen Parteien bewährt hat. Dies erklärte die Vorsitzende des Integrationsrates Gülistan Yüksel und wurde u.a. von Martin Kirschbaum, Sprecher der CDU um Integrationsrat, bestätigt.

In Mönchengladbach ist der Integrationsrat zu 2/3 mit Migranten unterschiedlichster Herkunft und zu 1/3 mit deutschen Politikern besetzt. Letztere, um den Belangen der Migranten auch verfassungkonform Rechnung tragen zu können, denn in der steht sinngemäß, dass nur Deutsche wirksam über Angelegenheiten, die die deutsche Gesellschaft betreffen, entscheiden dürfen.

Trotz der guten Erfahrungen, die in diesem 5-jährigen Modellversuch gemacht wurden und die der Landesregierung von nahezu allen beteiligten Kommunen zu verschiedensten Gelegenheiten mitgeteilt wurden – letztmalig in einer Anhörung im Düsseldorfer Landtag -, sollen nun die Modalitäten im §27 der GO geändert werden.

Gegen den Gesetzentwurf von CDU und FDP im Landtag regt sich durch alle Parteien hindurch auf kommunaler Ebene Widerstand.

Die an dem Modellversuch beteiligten Integrationsräte sehen insgesamt die „politische Teilhabe“ der Migranten gefährdet, wenn die Kommunen die Wahl bekämen, die Rechte des Integrationsgremiums nach Belieben festzulegen und die Modalitäten von Wahlperiode zu Wahlperiode zu verändern.

Sie befürchten (Zitate):

  1. Die bisher erzielten Verbesserungen in der poltschen Teilhabe von Migrantenvertreterinnen und -vertretern sollen nicht festgeschrieben werden
  2. Sollte es im Gegensatz zu unserer bewährten Praxis in Mönchengladbach hier zur Einrichtung eines Integrationsausschusses kommen, würde die politische Teilhabe deutlich eingeschränkt.
  3. Die dringend notwendige Einbeziehung von Spätaussiedlern und eingebürgerten Ausländern soll verhindert werden.
  4. Die Besetzung der Integrationsräte soll zukünftig beliebig gestaltet werden können.

Hintergründe für diese Befürchtungen sind u.a.:

Integrationsausschuss

Das „Gegenstück“ zum (aktuellen) Integrationsrat wäre ein Integrationsausschuss, für den in der GO vorgeschrieben würde, dass die Menschen, denen eine „politische Teilhabe“ gegeben werden soll, immer in der Minderheit wären.

Die GO würde den Kommunen (jeweils durch ihren Rat) die Wahl lassen, ob sie einen Integrationsrat oder einen Integrationsausschuss einrichten.

Würden sich in Mönchengladbach die aktuell politisch handelnden Personen und/oder die Einstellungen zur Integration ändern, könnte der Integrationsrat durch einen Integrationsausschuss ersetzt werden, was die notwendige gesellschaftliche Integration von Migranten gefährden könnte.

Falls ein Integrationsrat sich nicht in allen Belangen zu den Mehrheiten in einem Rat „verhält“ könnte der nächste Rat einen solchen „Ersatz“ beschließen und damit die Migrantenvertreter „kaltstellen“.

Dass eine solche Änderung der Einstellung in Mönchengladbach akut nicht zu erwarten ist, zeigt die Erklärung der Ratsfraktion der CDU und die Tatsache, dass SPD und B90/Die Grünen sowohl im Rat, als auch im Land den Gesetzentwurf von CDU und FDP nicht unterstützen.

Spätaussiedler und eingebürgerte Ausländer

Spätaussiedler sind rechtlich gesehen keine Migranten. Sie sind Deutsche, jedoch mit gleichen Integrationsproblemen, wie die Migranten. Dadurch ist ihnen in der Praxis die „politische Partizipation“ erheblich erschwert, denn auch ihnen kann durch Sprachbarrieren, Gewöhnen an andere gesellschaftliche Gegebenheiten usw. ohne sachgerechte Unterstützung die Integration schon „im normalen Leben“ verwert sein.

Die gleichen Befürchtungen gelten für Ausländer mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Für beide Gruppen gilt beispielsweise für eine Wahl zum Integrationsrat eine Sonderstellung mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Danach soll das volle Wahlrecht nach EU-Richtlinen gelten und die Wahl zum Integrationsart nicht mehr möglich sein. Daraus kann man die Annahme von CDU und FDP ableiten, dass eine Integration nach fünf Jahren abgeschlossen sei oder sein müsse.

Besetzung der Integrationsräte

Da das Gesetz zur Änderung des §27 der GO für den Integrationsrat explizit nicht vorgibt, dass die Migranten in „ihrem“ Gremium auch die Mehrheit haben müssen, wird befürchtet, dass in und zwischen den Kommunen keine problemgerechte Kontinuität gewährleistet ist.

So könne eine Kommune festlegen, dass der Integrationsrat mehrheitlich mit „Nicht-Migranten“ (in Deutschland geborene deutsche Kommunalpolitiker) besetzt wird. Die würden dann über Angelegenheiten entscheiden, die sie selbst nicht betreffen – weil nicht selbst erlebt.

Der kommunalpolitische Sprecher der SPD, MdL Hans-Willi Körfges, bestätigte in diesem Zusammenhang gegenüber BZMG, dass dann die Migranten auch sofort „draußen bleiben“ könnten.

Und genau das war das Thema des landesweiten Protestes: „Wir müssen draußen bleiben!“

Die Forderung: Die Landesregierung solle ihre Pläne zu dieser Art der GO-Änderung zurückziehen.

Durchaus nachvollziehbar auch das Unverständnis aller Beteiligten dafür, dass CDU und FDP im Land nicht den Empfehlungen folgen wollen, das aktuelle Modell 1:1 in die GO zu übernehmen. Dafür hatten sich ausgesprochen:

Martin Kirschbaum (CDU-Sprecher im Integrationsrat) erklärte, dass er persönlich genau den Integrationsrat wünsche, wie er in Mönchengladbach erfolgreich arbeite.

Er betonte, dass er sich auch für aktuelle Mehrheitsregelung (2/3 Migranten, 1/3 Ratsmitglieder) einsetzen werde. In sofern unterstütze er die Position der Vorsitzenden.

Mit der Vorbereitung des Protestes hatte Kirschbaum formale Probleme, die jedoch keinen nachhaltig negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit im Integrationsrat haben dürften.

BZMG-Informationen zufolge soll der Integrationsrat dem Rat die Anregung geben, sich dafür auszusprechen, dass des Mönchengladbacher Integrationsrat seine Arbeit unverändert auch in der neuen Legislaturperiode unverändert fortsetzen soll und entsprechend dem neuen Rat zu empfehlen, so zu entscheiden.

Dass dafür die Mehrheit im Mönchengladbacher Rat zustande käme, wäre sicherlich wünschenswert, jedoch könnten auch wahlpolitische „Spitzfindigkeiten“ dazu führen, dass genau das nicht geschieht.

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