Garzweiler II vor dem Aus? – Erkelenzer Verwaltungsvorstand und Fraktionsvorsitzende stoppen Umsiedlungsplanungen und erläutern Folgen und Hintergründe [mit Video]
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Unterschiedlichste Medien berichteten in den letzten Tagen, dass im RWE-Konzern ein baldiges Aus des Braunkohletagebaues Garzweiler II diskutiert werde.
Weil solche Meldungen sämtliche Planungen der von Umsiedlungen betroffenen Erkelenzer verunsichern, fordern Verwaltungsvorstand und Rat der Stadt Erkelenz, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) auf, in ihrer Eigenschaft als Genehmigungsbehörde für den Braunkohlentagebau Garzweiler II, zügig Verlässlichkeit für die von der Umsiedlung betroffenen Bürgerinnen und Bürger herbeizuführen.
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Hier der „Offene Brief“ im Wortlaut:
Ministerpräsidentin des Landes
Nordrhein-Westfalen
Frau Hannelore Kraft
Stadttor 1
40219 Düsseldorf
Erkelenz, 09,10.2013
Offener Brief in Sachen Braunkohlentagebau Garzweiler II
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
mit großer Sorge haben wir, die im Rat der Stadt Erkelenz vertretenen Fraktionen und der Bürgermeister, die Berichterstattung der vergangenen Tage über die Zukunft des Braunkohletagebaus Garzweiler II verfolgt.
Die Stadt Erkelenz trägt mit der Umsiedlung von 5.000 Menschen und einer vom Abbau betroffenen Stadtfläche von rund 40 qkm die Hauptlast des von der Landesregierung NRW genehmigten Vorhabens.
Wie Ihnen sicherlich hinreichend bekannt ist, läuft bereits seit dem Jahre 2000 die Umsiedlung der Ortschaften Borschemich sowie Immerath/Lützerath und Pesch.
Diese Umsiedlung ist bereits größtenteils abgeschlossen.
Seit dem Jahr 2011 haben jedoch auch bereits die Vorbereitungen für die nächsten Umsiedlungsabschnitte begonnen, von dem die Orte Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Beverath betroffen sind.
Die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Orte haben bereits einen Umsiedlungsstandort gewählt; die Planungen für die Ausgestaltung des neuen Ortes und die Beschäftigung mit allen Fragen rund um den Tagebau laufen auf Hochtouren.
Die Umsiedlung soll 2016 beginnen und wird rund 10 Jahre dauern.
Die für solche gravierenden und langwierigen Prozesse notwendige Verlässlichkeit ist in Folge der Berichterstattung in den vergangenen Tagen verloren gegangen.
Zum ersten Mal hat der Bergbautreibende in seiner Presseerklärung vom 08.10.2013 die Fortführung des Braunkohlentagebaus unter den Vorbehalt gestellt, „dass sich der regulatorische Rahmen auf den Energiemärkten schon aus Gründen der Versorgungssicherheit so verändern wird, dass auch die konventionelle Stromerzeugung eine Perspektive hat.“
Wenn sich der regulatorische Rahmen also nicht verändern wird, steht damit offensichtlich aus Wirtschaftlichkeitsgründen der Tagebau bereits heute vor dem Aus.
Die anstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Braunkohlentagebau und die bereits erfolgte Verschiebung der Sitzung des Braunkohlenausschusses bei der Bezirksregierung Köln verstärken die Unsicherheit.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie werden sicherlich nachvollziehen können, dass vor dem Hintergrund einer solchen Unsicherheit von unserer Seite bis auf weiteres alle Arbeiten ausgesetzt werden, die sich auf die Vorbereitung des nächsten Schrittes der Umsiedlung im Erkelenzer Stadtgebiet beziehen.
Wir können es nicht verantworten, auf einer derart unsicheren Grundlage einen Prozess zu begleiten und zu steuern, der möglicherweise unnötig wird, wenngleich ein vorzeitiges Aus des Braunkohletagebaus sicherlich auch von uns begrüßt würde.
Wir fordern Sie in Ihrer Eigenschaft als Genehmigungsbehörde für den Braunkohlentagebau Garzweiler II auf, zügig Verlässlichkeit für die von der Umsiedlung betroffenen Bürgerinnen und Bürger herbeizuführen.
Ihrer Antwort sehen wir entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Jansen, Bürgermeister
Rainer Merkens, CDU, Fraktionsvorsitzender
Beate Schirrmesiter-Heinen, B90/Die Günen, Fraktionsvorsitzende
Rainer Rogowsky, SPD, Fraktionsvorsitzender
Werner Krahe, FDP, Fraktionsvorsitzender
Karl-Heinz Frings, Bürgerpartei, Fraktionsvorsitzender
Otto Hübgens, Frei Wähler – UWG Erkelenz, Fraktionsvorsitzender
Siegfried Otto, Allianz 2010, stv. Fraktionsvorsitzender
[Ende des Briefes]
In einem Pressegespräch mit Journalisten unterschiedlichster Medien informierten Bürgermeister Peter Janßen und Fraktionsvorsitzende im Erkelenzer Rat die Presse über die möglichen Konsequenzen aus einer Einstellung des Braunkohletagebaues Garzweiler II für die Betroffenen:
In der kommenden Woche soll es ein Treffen der Landesregierung mit Vertretern von RWE geben, in dem Klarheit zum Tagebau Garzweiler II geschaffen werden soll.
3.
Prima Klima schrieb am 14.10.2013 um 04:06 Uhr:
@Der vom Morken #2: wir können das gerne weiter erörtern. Allerdings ist hier kein Diskussionsforum. Bei Interesse informieren Sie deshalb bitte die Redaktion, die dann direkten Emailkontakt zwischen uns herstellen wird.
2.
Der vom Morken schrieb am 13.10.2013 um 17:34 Uhr:
@Prima Klima
Und wie sehen Ihre Ideen einer Energiewende aus?
Fossile Energieträger bis nichts mehr da ist?
Ihre Annahme/Aussage:
„Erstens ist er nicht ‘dreckig’. Der bei der Verbrennung der Braunkohle entstehende Staub und Schwefel werden aus den Rauchgasen ausgeschieden.“
ist sehr optimistisch. Sind Sie sicher, dass dem wirklich so ist?
1.
Prima Klima schrieb am 12.10.2013 um 14:13 Uhr:
Ein weiteres Stück aus dem Scherbenhaufen dieser sog. Energiewende. Hier trifft es leider die Menschen einer Region konzentriert und unmittelbar.
Den grünen Frohlockern, die jetzt sagen „seht her, wir brauchen den ‚dreckigen Braunkohlenstrom‘ gar nicht mehr“, sei gesagt:
Erstens ist er nicht ‚dreckig‘. Der bei der Verbrennung der Braunkohle entstehende Staub und Schwefel werden aus den Rauchgasen ausgeschieden. Man erkennt das daran, dass die Kraftwerke keine Schornsteine mehr haben. Noch vorhandene Schornsteine haben einen Deckel obendrauf. Sie wurden lediglich aus Kostengründen nicht gesprengt.
Zweitens brauchen wir Strom aus Braunkohle auch weiterhin. Wenn wir diese Kraftwerke z.B. vor einer Woche, in der Zeit 05.-07.10, nicht gehabt hätten, wären bei uns tatsächlich die Lichter ausgegangen. Wegen Windstille betrug die Windstromproduktion in diesen drei Tagen bundesweit nur durchschnittlich 3% der installierten Kapazität, und da hätten auch noch so viele Windräder nicht gereicht. Konventionelle Kraftwerke werden auch in Zukunft immer dann benötigt, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
Das Problem für die Betreiber sind die zu schmalen oder nicht mehr kostendeckenden Erlöse für Strom aus Braunkohle. Sie sind Wirtschaftsunternehmen, die nicht auf Dauer „Geld verbrennen“ können, sonst gehen sie pleite. Sie wollen deshalb ihre am teuersten produzierenden Kraftwerke abschalten. Dadurch wird natürlich weniger Kohle gebraucht, deshalb die Überlegungen zum vorzeitigen Ende von Garzweiler II. Diese Überlegungen sind rein wirtschaftlicher Natur und blenden die Versorgungssicherheit aus. Das ist so ähnlich wie z.B. ein Dorfmetzger, der sein Geschäft infolge der Supermarktkonkurrenz schließt ohne Rücksicht darauf, dass jetzt die Leute ohne Auto nicht mehr an Fleisch und Wurst kommen.
Der Grund für den Preisverfall ist der gesetzlich garantierte Vorrang von Wind- und Sonnenstrom, der zu ebenfalls gesetzlich garantierten Preisen ins Netz eingespeist wird, aber eben immer nur dann, wenn auch der Wind weht und die Sonne scheint. In den übrigen Zeiten müssen die konventionellen Kraftwerke einspringen, s.o. Ohne diese marktwirtschaftsferne Verhätschelung wäre die Stromerzeugung aus Wind und Sonne aber nicht überlebensfähig. Sie wird deshalb als Kostentreiber bleiben.
Um die Großkraftwerke dennoch betriebsbereit zu halten, werden sie vermutlich eine sog. Kapazitätsprämie bekommen, also Geld dafür, dass sie bereit sind, bei Bedarf Strom zu erzeugen. D.h. sie bekommen Geld ohne als Gegenleistung ihr Produkt Strom zu liefern. Die Details sind Aufgabe der neuen Regierung.
Zusammengefasst: Garzweiler II wird bleiben und der Strompreis wird weiter steigen. Die Politik wird das eingestehen und gleichzeitig im Sinne der Planungssicherheit für die Betroffenen die Weichen dafür stellen müssen, dass das auf Jahrzehnte hinaus sicher so bleibt.
Für Politiker, deren Handeln sonst von Machterhalt und Wiederwahl bestimmt wird, eine äußerst unangenehme Aufgabe.