Bergschäden: Margret Granderath aus Hochneukirch im Labyrinth von Gutachtern und Gutachten [mit Slideshow und Video]

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

Seit 1989 ist die Welt von Margret Granderath nicht mehr in Ordnung. Ab und an hatte es „komische“ undefinierbare Geräusche gegeben, die die Eheleute Granderath nicht zuordnen konnten.

Aber Steine und Holz in einem Haus können so etwas hin und wieder selbstverständlich verursachen und sind normalerweise nicht besorgniserregend. Wer kennt das nicht.

Grund zur Besorgnis erweckte bei den Granderaths, damals lebte Margret Granderaths Mann noch, allerdings, als sich an Fenstern, Wänden und Sockeln feine Risse bildeten.

Diese dokumentierte das Berliner Ingenieur- und Sachverständigenbüro Jörg Kramer.

Da dasselbe „Phänomen“ auch an der Garage und dort sogar im Betonboden auftrat, schwante den Granderaths nichts Gutes.

Das Haus war 1959 gebaut worden und 30 Jahre lang nichts geschehen, das Grund zur Annahme gegeben hätte, dass mit ihm etwas nicht „stimmen“ könnte. Nach und nach wurde den Granderaths klar, dass auch ihr Haus ein Opfer der Auswirkungen von Sümpfungsmaßnahmen im Braunkohletagebau ist.

Die weitreichenden Auswirkungen und Folgen betreffen nicht nur das Grundwasser und die Natur (z.B. Feuchtgebiete), sondern eben leider auch die in solchen Gebieten stehenden Gebäude. Durch das Abpumpen von Grundwasser kommt es zu unaufhaltsamen Veränderungen (z.B. Setzungen) des Bodens.

Sümpfung, das ist das großräumige Abpumpen von Grundwasser und dient einzig und allein dem Zweck, dass Braunkohle einigermaßen „trocken“ abgebaut werden kann.

Dazu ein kleiner Exkurs, der verdeutlicht, was nicht nur in Jüchen-Hochneukirch, sondern genauso in vielen Orten rund um die Tagebaue im Rheinischen Revier geschieht.

Im Städtedreieck Aachen, Köln und Mönchengladbach liegt die Niederrheinische Bucht.

In ihr befinden sich nicht nur die bedeutendsten Braunkohlevorkommen Westdeutschlands (55 Milliarden Tonnen), sondern auf einer Fläche von 6.000 qkm auch das mit Abstand bedeutendste Grundwasserreservegebiet Nordrhein-Westfalens.

Das Grundwasser wird durch die Sümpfungen empfindlich gestört und das auf Jahrhunderte.

Die im Zuge der Tagebaue erforderlichen Sümpfungsmaßnahmen stellen nicht nur einen massiven und, wie immer wieder kritisiert wird, unverantwortbaren Eingriff dar, sie sind schon seit 1983 für Auswirkungen auf einer Fläche von ca. 10% Nordrhein-Westfalens verantwortlich. Das bedeutet, dass rd. 3.000 qkm von den bergbaubedingten Grundwasserabsenkungen betroffen sind.

Das trifft nicht nur für den Kreis Viersen zu (Naturpark Schwalm-Nette, Happelter Heide), sondern der Sümpfungseinfluss reicht sogar bis in die Provinz Limburg/Niederlande.

Schon im Vorfeld der Verhandlungen zum Aufschluss des Tagebaues Garzweiler II sprachen sich (nicht nur) Umweltverbände gegen diesen aus, weil der Neuaufschluss des Tagebaues Garzweiler II, was das Grundwasser anbelangt einen „hydrologischen Infarkt“ bedeuten würde, dessen Auswirkungen bis weit in die Zukunft reichen werden.

In Hambach reichen die Sümpfungen sogar in bis zu 500 Meter Tiefe. In Garzweiler 230 Meter. Die jährliche Sümpfungswassermenge beträgt hier bis zu 150 Mio. Kubikmeter.

Das bleibt nicht ohne Folgen für den Boden, so dass es im Untergrund zu Bewegungen kommt, infolge derer sich Schäden an Gebäuden bilden können.

Ungerechtes Bergrecht

Das Problem bei diesen Bergschäden besteht für die Betroffenen vor allem darin, dass sie auf Grund des veralteten Bergrechtes beweisen müssen, dass der Schaden durch den Braunkohletagebau verursacht wurde und demzufolge RWE (ehemals Rheinbraun) dafür aufkommen müsste.

In genau dieser misslichen Lage befindet sich Margret Granderath aus Jüchen-Hochneukirch. Seit nunmehr 22 Jahren kämpft sie darum, dass RWE die Schäden an ihrem Haus als Bergschäden anerkennt. Eine aufreibende und zermürbende Situation.

Gerolf Hommel von der FWG in Jüchen setzt sich seit Jahren für Bergschaden-Betroffene ein. Wie die FWG Jüchen überhaupt eine der wenigen politischen Gruppen ist, die sich aktiv und nachdrücklich für von Bergschäden durch den Braunkkohletagebau Garzweiler II betroffene Hauseigentümer einsetzt.

Hommel berichtet, dass 2004 der damalige Geschäftsführer des VBHG (Verband bergbaugeschädigter Haus- und Grundeigentümer, dem auch kommunale Gebietskörperschaften -Kreise, Städte, Gemeinden- angehören), Schürken, erklärt hatte: „Entscheidende Gründe für Bergschäden spielen sich im Untergrund ab, einige Meter unter dem Keller.“

Auf die Nachfrage, dass dies doch sicher durch entsprechende Untersuchungen (z.B. Bohrungen) nachgewiesen werden könne, erklärte dieser, dass der VBHG diese nicht vornehmen ließe, weil eine Untersuchung so teuer sei wie der Jahresbeitrag einer Kommune.

Die FWG hat inzwischen eine Liste mit 90 Geschädigten. 80% dieser Geschädigten haben nichts unternommen, weil sie den Kampf „David gegen Goliath“ scheuen. Sie sind der Meinung, dass sie gegen die Macht und den Einfluss von RWE chancenlos seien.

Den Beweis dafür sehen die meisten Betroffenen darin, dass von den Wenigen, die Schäden meldeten, nicht ein einziger anerkannt wurde.

Es gibt in ganz Hochneukirch nicht einen Geschädigten, der eine Schadenersatzleistung von RWE erhalten hat.

Die standardisierten Ablehnungsgründe von RWE Power

Die von den durch RWE beauftragten Gutachtern aufgeführten Gründe, was die Schäden verursacht haben soll, sind abenteuerlich.

Beispiele dafür:

  • Falsch gebaut, schlechte Bausubstanz
  • Falscher Untergrund (obwohl dieser nie untersucht wurde!)
  • Konstruktive Schäden
  • Die Bundesbahn sei schuld
  • In einem Fall soll der Verursacher ein Müllplatz einer ehemaligen Munitionsfabrik sein
  • Schwinderscheinungen des Putzes
  • Einmal sogar die Wurzeln eines Baumes aus dem Garten des Nachbarn.

Kurios ist, dass man in Hochneukirch den vermutlichen Verursacher der Schäden, nämlich RWE, mit deren Untersuchung beauftragte …

Margret Granderath ließ sich durch all dies nicht entmutigen und begann sich zu wehren.

Als Ablehnungsgrund nannten RWE und ihre Gutachter ein Erdbeben aus dem Jahr 1992 in Roermond, Baufehler und schlechte Bausubstanz, obwohl der erste Schaden bereits 1990, also zwei Jahre vor dem Erdbeben, gemeldet worden war.

Baufehler, die seltsamerweise erst 30 Jahre nach dem Bau des Hauses 1959 aufgetreten sein sollen. Es gab bis zum Beginn der Sümpfungen keine Schäden.

Rechtsanwalt Spelthahn, dessen Kanzlei sich u.a. auf Umsiedlungen und Bergschäden spezialisiert hat, erklärt, dass die Chancen im Falle RWE nicht gerecht verteilt sind.

Wolle man diese wahren, müsse man zunächst etwas riskieren. Was im Klartext bedeutet, dass es für die Betroffenen erst einmal sehr teuer werden kann.

Spelthahn vertritt aktuell auch die rechtlichen Interessen von Margret Granderath gegenüber RWE Power.

Vier Gutachten liegen im Fall Granderath bisher vor.  

Den Bemühungen der Jüchener FWG ist es zu verdanken, dass zunächst ein Gutachter von RWE Power bestellt wurde, der allerdings nur anhand einer von dieser vorgelegten Liste ausgewählt werden konnte.

Im Labyrinth der Gutachter

Und damit begann der Gutachterreigen.

Die Wahl von Margret Granderath war auf das Ingenieur- und Sachverständigenbüro Jörg Kramer in Berlin gefallen. Der Sachverständige war mehrfach in Hochneukirch, dokumentierte die Schäden und kam in seinem Gutachten 2009 zu der Feststellung, dass ein Bergschaden „überwiegend wahrscheinlich“ sei. 

Es müssten aber noch weitere Untersuchungen erfolgen, die auch eine Untergrunduntersuchung beinhalten müsse.

RWE erklärte daraufhin von sich aus, dass Bohrungen erfolgen sollten

Das ist bis heute nicht geschehen.

Dafür wurde ein Expertengremium installiert, dem z.B. Professor Axel Preuße angehört.

Er ist anerkannter Bergschadensfachmann und Leiter des Instituts für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik an der Technischen Hochschule in Aachen.

Dieser stellte 2006 in Wassenberg fest, dass für die dortigen Schäden der Grubenwasser-Wiederanstieg verantwortlich ist.

Ein weiterer Experte ist Prof. Dr. Ing. Heiner Kuhlmann, Institut für Geodäsie und Geoinformation, Universität Bonn. Er wurde bekannt durch ein Verfahren, das Bergschäden modellhaft nachvollzieht.

Bei einem solchen Verfahren sind selbstverständlich die zur Verfügung gestellten Daten, die in diesem Fall RWE lieferte, von Bedeutung.

Ohne eigene Untersuchungen vor Ort durchzuführen und auf Basis des für Hochneukirch vorhandenen Materiales, dessen Art und Umfang RWE vorgab, kam Kuhlmann zu dem Ergebnis, dass „auf Grund der vorhandenen Werte“ ein Bergschaden nicht festgestellt werden kann.

Kuhlmann merkt allerdings einschränkend an, dass das Netz an Messstellen und Untersuchungsergebnissen, das RWE vorgelegt hat, völlig unzureichend sei, um eine tragfähige Aussage zu treffen.

Kurz, das was man (RWE) ihm gezeigt hat, verursacht den Bergschaden nicht, aber es fehlen maßgebliche Unterlagen von 1955 bis 1984, also von 30 Jahren.

Es ist hochwahrscheinlich, dass für den Bereich Hochneukirch, für die Zeiträume als der Tagebau Hambach aufgeschlossen, Inden nach Westen und Norden erweitert wurde und Garzweiler II auf Garzweiler I folgte, wichtige Zeiträume von 1955 bis 1984, dem Beginn der großflächigen Grundwasserabsümpfung, fehlen.

Erst seit 1984 gibt es überhaupt ein Messsystem, das Dr. Uhlmann, Institut für Wasser und Boden, Dresden, ebenfalls ein von RWE bestellter Gutachter, ausdrücklich als für vollkommen unzureichend erklärt.

Er gab den Hinweis, dass bei dem Objekt von Margret Granderath die Anzahl der Messbolzen, damals nur ein einziger, wie üblich, völlig unzureichend sei.

Das führte dazu, dass weitere Messbolzen angebracht wurden, die aber bis heute keiner mehr gemessen hat, was evtl. daran liegt, dass der Zeitraum seit Anbringung der weiteren bis jetzt noch zu kurz sein könnte.

Wie dem auch sei, Prof. Kuhlmann bescheinigt RWE ausdrücklich, das, was ihr gemacht habt ist unzureichend. In Zukunft sollte das besser und anders sein.

RWE beruft sich auf das Ergebnis des Gutachtens von Prof. Kuhlmann (dessen Aussage ganz klar war: „Auf Grund der vorhandenen Werte kann ein Bergschaden nicht festgestellt werden.“), der es wiederum nur auf Grund der von RWE zur Verfügung gestellten Unterlagen erstellte.

Nun kam Prof. Preuße dazu, der sein Gutachten auf das von Prof. Kuhlmann und dessen von RWE zur Verfügung gestellter Daten aufbaute.

Die Spitze war dann die Gemeinschaftproduktion von Prof. Weber, der nie in Hochneukirch gewesen ist und Dr. Pohl, beide vom IBB-Dellen-Placzek-Weber GmbH-Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, Recklinghausen, die zu dem Ergebnis kommen, es müssten dann doch wohl Bauschäden sein und zurückzuführen auf das schon zitierte Erdbeben in Roermond.

Wobei Spelthahn und Hommel nochmals darauf hinweisen, dass diese Aussage schon deshalb nicht stimmen könne, weil bereits in den 1980er-Jahren und ab 1990 immer wieder kontinuierlich Schäden gemeldet wurden. Also definitiv vor dem Erdbeben 1992.

Soweit die für den nicht damit befassten, durchaus verwirrenden Ausführungen zu den Gutachtern, deren Ergebnisse noch viel verwirrender sind.

RWE setzt auf Resignation Betroffener und „die Zeit“

Das erklärt sicher die Frage, warum Leute, die nicht so couragiert sind wie Margret Granderath, den Aufwand scheuen, sich mit einem mächtigen Konzern wie RWE anzulegen.

Rechtsanwalt Spelthahn fügt an, dass das, was er nun „so locker erzählte“, das Erreichen wenigstens dieses sicher nicht zufriedenstellenden „Ergebnisses“, Stunden, Tage, ja Wochen an Besprechungen und Schriftverkehr gekostet habe. Er selbst sei erst seit eineinhalb Jahren involviert.

Davor sei das in all den Jahren die Arbeit  vor allem von Gerolf Hommel und Margret Granderath gewesen, die einen hohen Aufwand erforderte. Einen Aufwand, den nicht jeder betreiben will und deswegen scheut, weil so etwas viel Nerven, Zeit und Geld kostet.

Wobei auch Margret Granderath anmerkte, dass sie das ohne die Unterstützung von Hommel nicht hätte schaffen können.

Spelthahns Resümee ist deshalb auch, dass es Instrumente geben muss, um den Geschädigten insgesamt  zu helfen.

Spelthahn kritisierte auch, dass nach Bundesberggesetz von 1980, für die Erschließung eines Tagebaues für den Bergbautreibenden ein riesiges Verfahren in Gang gesetzt wird, wie z.B. das Genehmigungsverfahren Garzweiler II. Wenn dann einmal genehmigt ist, zieht sich Vater Staat zurück.

Argument für den Braunkohletagebau ist, wie es immer heißt: „Sicherstellung einer zuverlässigen, heimischen Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen.“

Wenn etwas getan wird, das im öffentlichen Interesse ist, muss aber auch der zweite Schritt folgen und die Leute, die dadurch geschädigt werden, müssen im Gegenzug etwas an die Hand bekommen, damit sie nicht das Nachsehen haben.

Von RWE erfährt man immer nur, dass hinsichtlich der Bergschaden-Thematik alles bestens geregelt ist. Demnach gibt es kaum Schadensfälle und die wenigen werden zur vollsten Zufriedenheit der Betroffenen geregelt.

Rechtsanwalt Spelthahn fügte an, dass er mit einem Bergbaugeschädigten auf ein 20-jähriges Mandant zurückblicke.

Der Fall Granderath ist elso ebensowenig eine Ausnahme, wie diese Schäden:

 

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Ausschnitt aus dem Pressegespräch der Jüchener FWG:
 

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Ein Kommentar zu “Bergschäden: Margret Granderath aus Hochneukirch im Labyrinth von Gutachtern und Gutachten [mit Slideshow und Video]”
  1. Mann oh Mann echt öde. Alle lassen sich von RWE ver — albern. Blöd weil es keine Unterstützung gibt. Die kriegt nur RWE. Die Leute wissen nicht was hier überall los ist. In Odenkirchen hat RWE Häuser gekauft die hinüber waren. Auch Beergschäden.

    Keiner hat was erfahren. Am Reststrauch soll sowas auch passiert sein. Die Eigentümer müssen den Mund halten sonst gibts kein Geld und Ärger mit RWE.

    Möchte nicht wissen was hier so aufs Konto von denen geht. RWE hat Politik und Verwaltung auf seiner Seite. Die Leute schauen in die Röhre.

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