Haus- und Grund: „Steht die Dichtheitsprüfung endlich vor dem Aus?“
Red. Politik & Wirtschaft [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Diese Frage stellte sich Dr. W. Fliescher vom Haus- und Grundbesitzerverein Düsseldorf und Umgebung, nachdem das Kabinett von Hannelore Kraft (SPD) Änderungen an den bisher heftig kontrovers diskutierten Regelungen zur Prüfung von privaten Abwasserleitungen vorgenommen hatte:
„Das Landeskabinett hat am 23. Oktober 2012 beschlossen, dass eine Dichtheitsprüfung der häuslichen Anschlusskanäle nur für die Häuser ausgeführt werden muss, die in einem Wasserschutzgebiet liegen und deren Abwasserleitungen vor 1965 erbaut wurden.
Offensichtlich hat Ministerpräsidentin Kraft (SPD) die Angelegenheit tatsächlich zur Chefsache gemacht und sich nicht nur gegen den Koalitionspartner, sondern auch gegen zahlreiche Fachpolitiker in den eigenen Reihen durchsetzen können.
Die CDU hatte zuvor über eine enorme Mobilisierungskampagne an der CDU-Basis an die Aussage Krafts vor der Wahl erinnert.
Die Neuregelung der nunmehr „Funktionsprüfung“ genannten Vorschrift sieht für private Abwasserleitungen Folgendes vor:
Im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens wird eine Verordnung zur Umsetzung mit den nachfolgenden Punkten vorgelegt. Durch den Erlass einer Rechtsverordnung möchte man wohl einer rechtlichen Auseinandersetzung hinsichtlich der formellen Verfassungswidrigkeit entgegentreten.
- Wasserschutzgebiete
- Andere Gebiete
- Sanierung?
- Die Kommunen
- Förderprogramm
- Bundesweite Regelung?
- Monitoring
- Pflichten & Rechte
- Hausverkauf
- Großgefahren
- Augenmaß
- Handwerker
In Wasserschutzgebieten sollen die geltenden erstmaligen Prüfungsfristen bis zum 31. Dezember 2015 beibehalten werden für die Erstprüfung von Abwasserleitungen, die vor 1965 errichtet wurden. Abwasserleitungen, die danach errichtet worden sind, müssen bis zum 31. Dezember 2020 geprüft werden.
Diese Regelung stellt grundsätzlich keine Neuerung dar, da auch schon in der alten Vorschrift des § 61a Landeswassergesetz (LWG) eine entsprechende Regelung vorhanden war. Dasselbe gilt auch für industrielle oder gewerbliche Abwasserleitungen, die vor 1990 errichtet wurden.
Gleichzeitig sollen industrielle oder gewerbliche Abwasserleitungen, die außerhalb von Wasserschutzgebieten liegen, bis zum Ende des Jahres 2020 geprüft werden. Was eine gewerbliche/industrielle Abwasserleitung ist, muss noch näher geklärt werden.
Für andere private Abwasserleitungen außerhalb von Wasserschutzgebieten werden keine landesrechtlichen Vorgaben gemacht.
Allerdings sollen die Kommunen per Satzung das Recht erhalten, eigene Regelungen zur Prüfung der Dichtheit von Hausanschlusskanälen zu erlassen. Damit ist das Thema also nicht gänzlich vom Tisch, sondern nur auf die kommunale Ebene verschoben.
Es bleibt zu hoffen, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen von der Möglichkeit, für das Gemeindegebiet eine flächendeckende Dichtheitsprüfung zu fordern, keinen Gebrauch machen.
Dazu wird Haus und Grund Düsseldorf mit den Ratsfraktionen zeitnah Gespräche führen, um bestehende Entwässerungssatzungen an die zukünftige Neuregelung anzupassen und zum anderen zu verhindern, dass auf kommunaler Ebene doch eine Dichtheitsprüfung durch die „Hintertür“ eingeführt wird.
Gleichzeitig soll der Kabinettsentwurf eine Möglichkeit für die Kommunen vorsehen, die Bürger zu Dichtheitsprüfungen zu verpflichten, wenn der städtische Kanal in der Straße saniert wird.
Dies erscheint auch in technischer Hinsicht sinnvoll, weil es ansonsten zu doppelten Arbeiten im Straßenbereich oder Kanalbereich kommen würde, die grundsätzlich höhere Kosten verursachen. Darüber hinaus verringert sich so der Verwaltungsaufwand.
Sofern sich nach der Funktionsprüfung ein Sanierungserfordernis ergeben sollte, sollte lediglich bei einsturzgefährdeten Abwasserleitungen (Schadensklasse A) eine kurzfristige Sanierungspflicht vorgegeben werden.
Das dürfte ebenfalls in der kommunalen Entwässerungssatzung festgelegt werden. Bei mittleren Schäden (Schadensklasse B) soll die Sanierung innerhalb von zehn Jahren durchgeführt werden. Bagatellschäden müssen nicht saniert werden.
Die Rechtsverordnung wird einheitliche Anforderungen hinsichtlich der Qualitätsanforderungen an die Prüfenden (Sachverständigen) sowie die Qualitätsanforderungen an die Prüfungsmethoden konkretisieren und festschreiben. Hier bleibt spannend, ob auch die Durchflussprüfung als Methode hinzukommen wird.
Wichtig ist auch, ob in den Wasserschutzgebieten zukünftig generell auch die Sichtprüfung und nicht nur die Druckprüfung zugelassen wird.
Die Kommunen sollen weiterhin die Grundstückseigentümer über die Durchführung der Funktionsprüfung unterrichten und beraten sowie durch Satzung unter bestimmten Voraussetzungen Fristen für die erstmalige Prüfung festlegen und sich Prüfbescheinigungen vorlegen lassen können.
Auch hier gilt, dass die Kommunen sehr deutlich vor solchen Beschlüssen gewarnt werden sollten.
Nordrhein-Westfalen wird bis zu 10 Millionen Euro aus dem Förderprogramm „Ressourcenschonende Abwasserbeseitigung“ für die Sanierung privater Kanäle zur Verfügung stellen.
Eine Unterstützung in Härtefällen, insbesondere für „Kleineigentümer“, ist vorgesehen.
NRW wird sich für eine bundeseinheitliche Regelung einsetzen.
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat diesem Vorhaben aber bereits schriftlich eine Absage erteilt.
Das Land wird ein „Monitoring-Programm“ auflegen, das mögliche Beeinträchtigungen des Grundwassers durch undichte private Abwasserleitungen über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht.
Das heißt allerdings auch, dass die Funktionsprüfung ggf. nach Ablauf der fünf Jahre auch für Gebiete außerhalb von Wasserschutzgebieten wieder eingeführt wird.
Die Landesregierung betont ausdrücklich, dass nach § 61 Bundeswasserhaushaltsgesetz (WHG) derjenige, der eine Abwasseranlage betreibt, verpflichtet ist, ihren Zustand und ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen.
Sie verweist hierbei auf die Anforderungen der Funktionsfähigkeit von Abwasserleitungen, die sich nach den allgemeinen Regeln der Technik in Form der DIN 1986 Teil 30 und der DIN EN 1610 richten. Danach ist alle 30 Jahre eine Überprüfung der Kanäle durchzuführen.
Dieser Hinweis soll verdeutlichen, dass es „kein Recht auf einen undichten Kanal“ gibt.
Inwieweit ein Grundstückseigentümer seinen privaten Abwasserkanal überprüfen möchte oder nicht, liegt insofern in seinem eigenen Risikobereich.
Für Ratingen und Düsseldorf wird die Neuregelung zur Folge haben, dass erhebliche Teile des Stadtgebietes von der Funktionsprüfung betroffen sind.
Da die Grenzen der Wasserschutzgebiete teilweise auch durch Straßen verlaufen stellt sich die Frage, ob die geplante Regelung tatsächlich praxisgerecht ist, wenn auf einer Straßenseite die Prüfungen ausgeführt werden müssen, während die andere Seite davon verschont bleibt.
Ein Schlaglicht auf die Praxisferne wirft der Vorschlag der Grünen, die unmittelbar nach Bekanntwerden des SPD-Vorschlages forderten, dass bei jedem Hausverkauf (immerhin geht es hier um eine Zahl von 49.000 Verkäufen pro Jahr) eine Dichtheitsprüfung durchzuführen sein soll.
Dies offensichtlich deswegen, um Immobilien von vornherein unverkäuflich zu machen, weil der Käufer dann selbstverständlich einen sanierten Kanal erwartet.
Tatsächlich sind die Gefahren durch häusliche Abwässer für das Grundwasser nach vorliegenden wissenschaftlichen Studien zu vernachlässigen. So wurde in Köln über mehrere Jahre das Trinkwasser analysiert, und es konnte nicht festgestellt werden, dass undichte Kanäle hierauf einen negativen Einfluss hatten.
Es fehlen einfach die Beweise für die phantasiereichen Unterstellungen einer flächendeckenden Grundwassergefährdung durch eventuelle Undichtigkeiten privater Hauswasserkanäle.
Gleichzeitig werden aber real existierende Gefahren ignoriert.
So gerieten durch eine Undichtigkeit in einer Flugbenzin-Pipeline in Köln-Wesseling geschätzt über eine Million Liter Kersosin in das Grundwasser.
Nachdem man den Schaden erst Anfang März des Jahres 2012 festgestellt hatte, waren bis zum Oktober 2012 erst zehn Prozent des ins Grundwasser gelangten Kerosins abgesaugt. Offensichtlich geht man mit tatsächlichen Schäden am Grundwasser anders um, als mit Eventualgefahren.
Das Augenmerk ist nun darauf zu richten, dass nicht jeder kleinste Schaden zu einem schwerwiegenden Sanierungsfall stilisiert wird und dass eine neutrale Beratung zu den Sanierungsmöglichkeiten und Verfahren stattfindet.
So werden oftmals kleine Veränderungen im Kanal, wie zum Beispiel oberflächliche Haarrisse, als schwere Schäden angesehen, obwohl diese Schäden weder die Statik des Kanals noch dessen Dichtheit gefährden.
Zudem wurden bei der Beurteilung von Schäden auch schon früher verwendete Dichtmaterialien, wie zum Beispiel Hanf, mit einer Wurzel verwechselt und wegen des vorgeblichen Wurzeleinwuchses eine komplette Sanierung des Kanals in offener Bauweise von dem Tiefbauamt gefordert.
Aktuell wurde in der Rechtsberatung des Verbandes ein Fall geschildert, in dem ein Unternehmer eine komplette Abwasserleitung von ca. 20 Metern Länge für einen Betrag von sage und schreibe 60.000 Euro in offener Bauweise sanieren wollte.
Da Rohre teilweise auch unter der Bodenplatte des Gebäudes lagen, hätte diese ebenfalls bearbeitet werden müssen.
Hier ist es wichtig, sich vorab mehrere Angebote einzuholen und mögliche Sanierungsverfahren zu klären. Dies gilt auch, wenn von Behördenseite eine Aufforderung zur Sanierung des Kanals erfolgt. In allen Fällen berät Sie die Rechtsabteilung von Haus und Grund Düsseldorf.
Aus gegebenem Anlass wird davor gewarnt, unaufgefordert an der Haustür angebotene Überprüfungen von Kanälen und die nachfolgende Sanierung ohne entsprechende Beratung zu beauftragen. Schließlich muss noch vor den so genannten Kanalhaien gewarnt werden.
Diese bieten eine optische Kontrolle des Kanals für einen sehr geringen Preis an, um anschließend für teures Geld eine komplette Sanierung des Hausanschlusskanals vornehmen zu können.
Dabei ist nicht einmal klar, ob die gezeigten Bilder der vorgeblichen Schäden aus dem Hausanschlusskanal stammen, der angeblich gerade untersucht wird.
Aktuell erreichte die Haus und Grund-Rechtsberatung ein Fall, in dem ein Handwerker einem betagten Mitglied eine Sanierung des Hausanschlusskanals für sage und schreibe 11.900 Euro mit acht Teillinern angeboten hat.
Eine solche Sanierung ist technisch fragwürdig und gegebenenfalls aufgrund des Zustandes des Kanals nicht notwendig. Die Überweisung konnte gerade noch gestoppt werden, so dass letztlich kein Schaden entstanden ist.
Wie bei allen Handwerkerleistungen, die vergeben werden, sollten vorher mehrere Angebote eingeholt werden.
Bevor an der Haustür irgendwelche Geschäfte zur Sanierung von Rohren getätigt werden, sprechen Sie vertrauensvoll Ihren Haus- und Grundeigentümerverband oder das städtische Tiefbauamt an.“