Überwältigendes 6. Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker mit der Weltklasse-Geigerin Carolin Widmann
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Ein rasantes Programm östlicher und nördlicher Musik wurde den sehr geneigten Zuhörern im fast ausverkauften Konzertsaal des Theaters geboten.
Drei gewaltige Werke, Mussorgsky´s „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ , das groß angelegte Violinkonzert d-moll von Jean Sibelius, die unglaublich schwer zu verdauende 10. Sinfonie von Dmitrij Schostakowitsch überfielen und bestürzten das Publikum, das in atemlosem Schweigen lauschte.
Zu Beginn erklang die “Nacht auf dem kahlen Berge“, die hier in der Urfassung von Mussorgsky gespielt wurde. Eckig und kantig klang es, von russischer Seele war hier nichts zu vernehmen. Ich muss gestehen, dass mir das Stück in der Bearbeitung von Rimsky-Korsakow wesentlich besser gefällt.
Ich habe es in zwei Fassungen gehört, von den Duisburger Sinfonikern unter Georg Ludwig Jochum, in der Urfassung hier in Rheydt, sehr beeindruckend, weil die Herbheit zwar herauskam, aber durch die Süffigkeit der Duisburger Streicher gemildert wurde, in der Fassung von Rimsky-Korsakow sehr oft.
Für mich die beeindruckendste Aufführung fand im slowenischen Nationaltheater in Ljubljana statt. Dort gab es Anfang der 60 er Jahre die Oper „Der Jahrmarkt von Sorotschinzy“ zu sehen und hören. Die „Nacht auf dem kahlen Berg“ wurde in einer Fassung mit großem Chor und phantastisch tanzendem Ballett eingefügt. Hier wurde als Ort des Spukes der Berg Triglaw, benannt nach dem slawischen Halbgott gleichen Namens genannt.
Hei, war das eine Johannisnacht.
Es wurde hier von den Niederrheinischen Sinfonikern unter der der zupackenden Leitung von GMD Mikhel Kütson bemerkenswert diszipliniert und hingegeben musiziert.
Nicht nur als Auftakt zu Größerem, sondern als großartige Musik.
Das zweite Werk des Abends war das bekannte Violinkonzert von Jean Sibelius.
Herbheit und dennoch blühender Melos zeichnen dieses einzige Solokonzert des Komponisten aus .
Ein wunderbares Werk, das trotz vieler Schwierigkeiten von allen großen Geigern geliebt und gespielt wird.
So auch hier von der faszinierenden Geigerin Carolin Widmann.
Auf der wunderbaren Geige Guadagninis, einem sehr groß klingenden, besonders auf der G- Saite und der E-Saite, gelangten selbst im Flageolet in höchsten Lagen berauschende Klänge.
War der große Ton auf eine von mir selten gesehene starke Spannung des Bogens, der Stock war ca. 2 cm von der Bespannung entfernt, mit zurückzuführen?
Technisch gab es keine Schwierigkeiten, Läufe und Doppelgriffe waren einfach brillant.
Musikalisch war es einfach große Klasse.
Wie es über dem Pianissimo-Klangteppich mit dem Hauptthema, der Quasi-Kadenz in das Seitenthema übergeht, das mit wahnwitzigen Doppelgriffen gespickt ist , mit der Solokadenz die in die Reprise führt, in das höchst emotionale Ende des Satzes führt, ist höchst bewusst gekonnt.
Der 2. Satz ist in seiner Tiefe, seiner Lyrik ein Stück, das, wie Goethe es so schön ausgedrückt hat, in „höhere Sphären“ entführt.
Wie sang die Geige in wunderbar dunklen Farben!
Hier wurden Menschen, gefrustet vom Tagesgeschehen, wieder ruhig. Welche Inbrunst des Klanges, welche Ruhe wurde hier dem Publikum zuteil.
Virtuoser Schwung, hinreißende Spielfreude dominierten den 3. Satz . Carolin Widmann zeigte hier ihr enormes technisches Können. Mit Bravour ging es bis zum Schluss.
Ich hörte übrigens zum ersten Mal in einer Aufführung dieses Werkes die Geige im entfesselten Toben des Gesamtorchesters.
Diese Aufführung riss mich hin, zumal unter der großartigen Leitung von GMD Kütson das Orchester um sein Leben spielte. Vom zartesten Pianissimo bis zum stärksten, nie gellenden Fortissimo, im Zusammenspiel aufeinander hörend, mit empfindend, war es eine Leistung, die man so sehr selten erlebt.
Carolin Widmann, deren Leistung ich nicht hoch genug würdigen kann, schloss Dirigent und Orchester in den starken, begeisterten Beifall mit ein.
Für das Miterleben, das sie bestimmt empfand, bedankte sie sich mit einer Sarabande von J.S. Bach. (War sie aus der zweiten Partita in d-moll ?)
Dann gab es die zehnte Sinfonie von Dmitrij Schostakowitsch.
Ein Werk, dem man sich, auch wenn man Schostakowitsch nicht mag, ich liebe seine Musik sehr, nicht entziehen kann.
Von wie viel Schmerz, Kummer, zurückgehaltener Wut, befreit sich der Komponist hier.
Anklänge an den „Boris Godunow“ von Mussorgsky sind leicht festzustellen.
Zum Allegro soll er gesagt haben, es sei ein Portrait Stalins, im Allegretto hat er sich wohl selbst portraitiert.
Der letzte Satz stellt den Tod Stalins und Schostakowitschs Überleben dar.
Eine sehr gut gearbeitete, spannende Aufführung durften wir hier hören.
Das Orchester, die Niederrheinischen Sinfoniker, präsentierte sich wie auch schon bei Sibelius in absoluter Bestform. Es gab nichts, was nicht gelang.
Kütson führte das Orchester von zartem Klang bis zu schreienden Fortissimostellen souverän in einer berührenden Aufführung.
Riesiger, herzlicher Beifall dankte den Künstlern.
Ein ganz großer Abend.
Herbert Rommerskirchen