Tolle Aufführung von Büchners „Woyzeck“ am Math.-Nat. Gymnasium in Mönchengladbach

Red. Theater [ - Uhr]

Büchners Fragment-Stück “ Woyzeck“, die Geschichte eines sehr einfachen Menschen, der aus Not Demütigungen, Unterdrückung, medizinischen Missbrauch des eigenen Körpers hinnimmt, um seine Geliebte, Marie und das  gemeinsame Kind zu ernähren.

Ein Stück, in dem nicht nur der handelnden Person Woyzeck, sondern auch bei guten Aufführungen dem Zuschauer, vieles zugemutet wird.

Während seiner Arbeit als Soldat wird er als Frisör von seinen Vorgesetzten in unwürdiger Weise behandelt, man nimmt ihn nicht als Menschen wahr.

Ein Arzt versucht eine Erbsen-Diät mit ihm durchzuführen, obwohl er weiß, dass das zur Verblödung des Behandelten führen kann.

Der Tambourmajor, der Macho vom Dienst, gibt sich in seiner Abwesenheit mit Marie ab.

Diese, eine hübsche, lebensfrohe Frau, ist dem Werben des stattlichen, wohlhabenden Mannes nicht abgeneigt und fängt mit ihm ein Verhältnis an.

Woyzeck, der dieses bemerkt, muss diese Dinge hilflos hinnehmen.

Er fängt an, unter Halluzinationen zu leiden, hört Stimmen, die ihm befehlen, Marie zu töten.

Es kommt zum Mord.

Hier wird er zum Antihelden.

Zum ersten Mal in der deutschen Theatergeschichte wird in ihm ein Vertreter der Unterschicht als Hauptfigur auf die Bühne gebracht, ein gehetzter, sprachloser, bemitleidenswerter Mensch. 

Ein hochaktuelles Stück in der Parteinahme Büchners für gesellschaftlich Entrechtete. 

Alban Berg vertonte diesen Stoff so hautnah wie es überhaupt möglich ist und überhöhte ihn durch seine Musik. Auch hier ist er so lebensnah wie schrecklich. 

Aber zurück zum Schauspiel. 

In der Aula des Math.-Nat. Gymnasiums erlebte ich eine Aufführung der Theater – AG dieser Schule. 

In der kahlen Umgebung des Raums, der fast nackten Bühne fiel die Konzentration auf die jungen Darsteller nicht schwer.

Bei allen diesen jungen Menschen war eine große Hingabe festzustellen. Eine wie ich vermute,  sehr starke, intensive Vorbereitung des Stücks im Deutschunterricht, trug zur Darstellung, auch der Übertragung auf das zahlreiche Publikum, erkennbar bei. 

Wie sich die jungen Leute in ihre Rollen hineinwarfen, sie zum Leben brachten, war faszinierend.

Ein hervorragendes Ensemble spielte hier und verhalf der Aufführung zu stürmischem Beifall, an dem sich auch der Kritiker beteiligte. 

Jan Gärtner als gequälter Woyzeck, ein Getriebener, hoffnungslos durch seine Lebensumstände Überforderter, die lebenslustige, einem kleinen oder auch großen Seitensprung nicht abgeneigte Marie der Ilirjana Zekolli, waren die Hauptdarsteller, überzeugten in jedem Moment. 

Nicht weniger die wirklich tollen „Nebendarsteller“, Phillip Riedel als süffisanter, aber auch menschlich wirkender, um seine gehobene Stellung wissende Hauptmann ,

Maximilian Riedel als kraft- und sexualstrotzender Macho Tambour-Major. 

Der  “Doctor“ von Diana Genenger war eine hervorragende Charakterstudie.  Perfide gab sie den besessenen, menschenverachtenden Forscher.

Auch Hannah Simon als Ausrufer und Zirkusdirektor, Ridwan Kaise als Märchenerzähler und Gehilfe, gefielen sehr.

Allen Mitwirkenden sei auch noch sehr gute Textverständlichkeit bescheinigt.

Hier war, wie es doch oft in Theatern gebräuchlich ist, eine Microport-Verstärkung, absolut unnötig.

Gute, stimmige Bühnenmusik.

Hervorragende Regie: Jeanette Lischka, Harald Blockhaus. 

Zwei kleine Wermutstropfen schmälerten die Bühnenleistung kaum.

Die ständig gebrauchten Helme verhinderten oft den Blick auf die Gesichter der Mitwirkenden. So ging ein großer Teil der doch wichtigen Mimik verloren. 

Die Sitzmöglichkeiten im Saal sind unterhalb jeder Kritik und offensichtlich auf architektonische Fehlleistungen beim Bau des Gymnasiums zurückzuführen.

Herbert Rommerskirchen

Szenenbilder:

Fotos: Harald Blockhaus

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