Dem Himmel ein bisschen näher
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Ein schäbiger Pappkarton als Aufbewahrungsort für kostbare Erinnerungsstücke, die verehrt, geehrt werden?!
Die Identität schaffen? Kraft geben sollen?
Ja, tatsächlich. In der Schatzkammer des Gladbacher Münsters befindet sich auch diese Reliquie als Zeugnis einer einfachen Frau, an der Papst Franziskus mit Sicherheit mehr Freude hätte als in diesem Jahr an einem Bischof aus Limburg.
Über viele Jahre hatten die Mönche der ehemaligen Benediktinerabtei St. Vitus eine Fülle von Reliquien, liturgischem Gerät und Kunstwerken zusammengetragen.
Doch Schätze weckten auch Begehrlichkeiten. So erinnert beispielsweise ein Bild König Philipp II. von Spanien an dessen heftige Auseinandersetzung mit der Abtei um eine Reliquie des heiligen Laurentius. Nur Dank der halsstarrigen Verweigerungshaltung der Mönche blieb dieses Kunstwerk in Mönchengladbach.
Der „Reliquienkarton“ und das Bild des spanischen Königs in der derzeitigen Ausstellung des Münsterschatzes in Schloss Rheydt sind nicht die einzigen Überraschungen, machen aber allzu deutlich, worum es bei der Verehrung von Reliquien eigentlich geht:
Um Erinnerung, Identität und Vorbildfunktion.
Um Halt und Orientierung.
Um Kraft im Glauben, Mut und die eigene Stärke, seinen Weg zu gehen.
Unerheblich sind daher Diskussionen um die Echtheit von Reliquien oder geringschätzige Aussagen um den „Volksglauben“ bis hin zur „Volksverdummung“.
Denn wenn man so darüber nachdenkt, dann ist auch klar, warum in früheren Zeiten viele einfache Menschen für die Ausstattungen von Kirchen spendeten – für Dinge, die heute als Pomp und Protz angesehen werden und trotzdem als Kulturgüter Staunen hervorrufen.
Natürlich glaubten sich auch viele Bürger dem Himmel ein bisschen näher, wenn sie für „Kirchengold“ spendeten – was mit Sicherheit auch ausgenutzt wurde.
Bedenkt man allerdings nun, dass vieles aus dem Münsterschatz unter Napoleon eingeschmolzen wurde, um damit Tod und Krieg zu finanzieren, bekommen die Ausstellungsstücke nochmal eine neue Bedeutung: Der ideelle Wert fällt dem materiellen Wert zum Opfer. Was ist wohl die größere Verschwendung von Geld?
Die kostbaren Gegenstände des Münsterschatzes sollen die eigentliche Bedeutung, die Wertschätzung, den wahren, inneren Wert sichtbar machen – und gleichzeitig verleitet gerade der Blick auf Gold und Edelsteine den Blick auf die immateriellen Werte zu verlieren.
Der Münsterschatz lädt ein – zum Staunen und zum Nachdenken.
Hintergrund:
Mönchengladbach besitzt in der Münsterkirche auf dem Abteiberg eine bedeutende Schatzkammer, die zu den herausragenden kulturellen Zeugnissen Mönchengladbachs zählt und allerdings in der Regel nur sehr eingeschränkt zugänglich ist.
Der Fund der Reliquien des Vitus und anderer Heiliger durch Mönch Sandrad, den Kölner Erzbischof Gero und ihr Gefolge im Jahre 974 war, so die Geschichtsschreibung, ursächlich für die Gründung der Gladbacher Abtei.
Hieraus erwuchs die spätere Stadt, gleichzeitig bedeutete der Fund den Ausgangspunkt für die Schatzkammer.
Die Benediktinermönche von St. Vitus trugen seit dem Mittelalter eine Fülle von Reliquien, anderen sakralen Gegenständen und Kunstschätzen zusammen.
Alle sieben Jahre wird bis heute eine der herausragenden Reliquien, ein Stück des Tischtuchs vom letzten Abendmahl, im Rahmen der Heiligtumsfahrt den Gläubigen präsentiert.
Die nächste Heiligtumsfahrt findet vom 13. bis 19.06.2014 statt.
Im Rahmen der Ausstellung „Dem Himmel ein bisschen näher- Die Schatzkammer der Münsterkirche in Mönchengladbach“ werden die vielen Objekte erstmals umfassend präsentiert.
Zu diesem Zweck fanden nicht nur umfängliche Restaurierungsmaßnahmen statt, sondern zum ersten Male auch eine vollständige wissenschaftliche Bearbeitung der Schatzkammerobjekte.
Die Ausstellung ist bis zum 27.04.2014 geöffnet.
Begleitend hierzu ist ein reich bebilderter Katalog erschienen, der zum Preis von 19,90 Euro erworben werden kann. Das Buch ist Dank der vielen ausgezeichneten Bilder sowie der leicht verständlichen Texte sehens- und lesenswert ist.