Grandioser „König Lear“ von Shakespeare im Stadttheater

Red. Theater [ - Uhr]

Nach all dem Elend, das in dieser Zeit den fühlenden Menschen deprimiert und an die Nähe eines Suizid führt, nun auch noch das Drama um einen Vater, den König Lear, der amtsmüde ist und nur noch leben will.

Soll man sich das zumuten, sich das antun?

Ja, man soll und muss!

Die Geschichte des alten Königs Lear, der sein Reich unter seine drei Töchter aufteilen will.

Shakespeare hat hier die Geschichte des britischen Königs Leir und seiner drei Töchter gestrafft und etwas geändert zum Drama gewandelt. In der Sage wird Leir vom französischen König wieder in seine Rechte eingesetzt.

Die Figur des Grafen Gloster wurde hinzugefügt.

Das ergibt einen parallelen Handlungsverlauf, er wird  von seinem unehelichen Sohn in den Tod getrieben.

Dieser Lear ist eine grausame Tragödie, zeigt uns die Geschichte einer aus der Bahn geworfenen Welt, in der Neid, Machtgier und Geldgier die Menschen in den Abgrund reißen.

Jung und alt bekriegen sich, laden immer neue Schuld auf sich.

Auch eine Parallele zum Heute.

Zu Lebzeiten vererbt Lear den ihm lobhudelnden beiden Töchtern sein Reich. Die ihn wirklich liebende Tochter Cordelia verstößt er. Sie wird den französischen König ehelichen.

Einzige Bedingung für die beiden Erbinnen: Sie sollen ihn abwechselnd bei sich wohnen lassen, seinen Lebensabend finanzieren. Das geht als Parallele zum heutigen Leben natürlich daneben.

Er irrt in der Welt umher, wird wahnsinnig. Die heutige alte Generation wird ins Heim abgeschoben.

Demenz der Alten ist das Schlagwort. Die kann man nicht betreuen in einer Welt, in der alle Menschen arbeiten müssen, das zweite, dritte Auto finanzieren müssen, die Familie bestenfalls eine Interessengemeinschaft ist.

Lear aber wird geistig gesund, stirbt dann unmittelbar nach der Gesundung zwischen lauter Getöteten. 

Lear, ein Werk mit vielen Intrigen, vielen Morden, Leichen. Ein Werk, das eine große Zahl erstklassiger Darsteller voraussetzt.

Diese gibt es an den Städtischen Bühnen, wie es sich hier wieder zeigte. Schauspieldirektor/Regisseur Matthias Gehrt ging also kein Risiko ein.

Zustande kam eine faszinierende, glaubhafte Darstellung im Einheitsbühnenbild, das perfekt mitspielte, Gabriele Trincek, den Kostümen von Sibylle Gädeke.

Es wurde ein großer Theater-Abend!

Eine überwältigende Leistung aller Mitwirkenden, eine kleine Rolle gibt es nicht, darum ist es mir ein Bedürfnis, Alle zu erwähnen.

An der Spitze das „Urgestein“, der so wandelbare Joachim Henschke, in jedem Moment in seiner Partie, vom König, der bereits die Spuren des Wahnsinns zeigt, bis hin zum bedauernswerten Irren, der durch die Welt irrt, etwas gestützt vom Grafen Kent, Paul Steinbach.

Wie er spielt, wie er spricht, toll!

Wenn ich jetzt  Ronny Tomiska nenne, er beeindruckt durch unglaubliche Wandlungsfähigkeit in Sprache, Mimik, Bewegung, ist es die Anerkennung einer großen Leistung.

Wie er den ungeliebten, verleumdeten Sohn  Glosters zeichnet, ihn als Blinden betreut, ist große Kunst.

Hier kann man die Liebe zum Vater glaubhaft sehen. 

Ihm am nächsten kam der Haushofmeister Oswald, Jonathan Hutter, der auch den König von Frankreich spielte. Beweglich in jedem Moment, zwischen Zynismus und Mitgefühl schwankend, beeindruckte er außerordentlich. Ein Gewinn für unser Haus.

Bruno Winzen als hinkender Herrenmensch Gloster, der später geblendet wird, von seinem Sohn Edmund, Cornelius Gebert, der immer mehr in das Fach des Aufmüpfigen, Bösen, Ränkeschmiedenden wächst, vernichtet wird, erfüllte diese Rolle beängstigend.

Christopher Wintgens als Herzog von Cornwall, Adrian Linke als Herzog von Albany, Sascha Mey, Paul Steinbach sehr ähnlich, komplettierten das Herrenensemble.

Damit zu den Damen.

Hier ragte Helen Wendt gleich in zwei Rollen heraus. Sie spielte die Cordelia als liebende Tochter brav, hatte dann aber als Hofnarr, der bis zum Tod zum König steht, ganz große Momente. Hier wurde der Hofnarr zu einer Hosenrolle.

Henrike Hahn als Goneril und Nele Jung als Regan verkörperten glaubhaft die beiden bösen Schwestern, die hier widerlich über die Rampe kamen. 

Mit dem ungewohnten Text tat ich mich etwas schwer.

Im Programmheft, das ich immer erst nach geschriebener Kritik lese, erfuhr ich dann, dass diese Übersetzung von Luc Bondy, Marie-Louie Bischofsberger und Jeff Layton stammt.

Es war gut. 

Fazit.

Ein gewaltiger Abend, den man sehen muß!

Herbert Rommerskirchen

 

 

 

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