Jean Lisiecki, 18 jähriger Pianist der Weltklasse in der Kaiser-Friedrich Halle
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Der Pianist, nein, Musiker, Musikant, Jan Lisiecki bescherte uns einen Abend, der alle Musikkenner, die immer die großen Alten zu Rate ziehen, als Beispiel hinstellen, ad Absurdum führt.
In Kanada als Sohn polnischer Eltern geboren, wurde früh, im Alter von 5 Jahren, sein Talent erkannt, er aber nicht als Wunderkind vorgeführt, sondern sehr vorsichtig zum Musiker ausgebildet. Frühe Auszeichnungen verdarben ihn nicht, sondern führten zu einem wunderbar erfüllten, musikalischen Spiel.
Was er hier in Mönchengladbach dem Zuhörer an pianistischem Können, Musikalität, hingebungsvollem Musizieren vorführte, war überwältigend.
Ich habe seit Claudio Arrau und dem weit weniger im Licht der Öffentlichkeit stehenden Hans Richter-Haaser keinen Pianisten gehört, der sein Instrument so zum Singen, zum Klingen bringt, wie dieser noch so junge Mann. Eine Fülle von Dynamik, Anschlagsdifferenzierungen, traf die Zuhörerschaft.
Ein Musiker am Klavier, wie er wohl heute in der jungen Generation einmalig sein dürfte.
Ihm ist Alles gegeben was eine Jahrhunderterscheinung bei jungen Pianisten auszeichnet.
Sein Musizieren gleicht dem des frühvollendeten Sängers Dietrich Fischer Dieskau.
Tolle Musikalität, unglaubliche Technik, die nie zum Selbstzweck verkümmert, ein sympathisches aber selbstbewusstes Auftreten, fern von jeder Diven-Attitüde.
Er spielte ein Programm, das entsprechend dem Vorerwähnten durchaus kein Wald- und Wiesenprogramm ist.
Schon der Anfang, mit Messiaens „Huit préludes pour piano“ zu beginnen, ist verblüffend. Es klang so, als ob ein Spätromantiker es komponiert hätte. Ich nehme an, dass Messiaen seine spätere Frau, Yvonne Loriot noch nicht kannte, die später wie eine Schreibmaschine spielend, in alle seine Kompositionen eingebaut wurde.
Das mich bewegendste Werk war die Partita Nr. 1 B-Dur, BWV 825. von Johann Sebastian Bach.
Wie Lisiecki, hier auf dem Flügel, die heute übliche Strickmusik auf alten Instrumenten deklassierte, war für mich ein Hochgenuss. Wie klang diese unglaubliche Musik Bachs, der besser den Namen „Meer“ gehabt hätte.
Hier wurde Musik gemacht. Welche Fülle an agogischen Dingen, welch ein Reichtum an Tempo Rubato, sofort ins Zeitmaß zurückführend, welche Dynamik, welche Farben!
Sollten die Musiker der Bach-Zeit das nicht gekonnt haben? Musikalische Zeugnisse gibt es ja nicht.
Danach verblasste, trotz Paderewskis „Minuet Op 14“, das unglaublich gespielt wurde, Lisiecki huldigte hier dem polnischen Staatsmann und Komponisten, fast alles Weitere.
Martinu`s „Trois danses tchèques“ H. 154 klangen so richtig böhmisch. Es tanzte so richtig einher, wirbelte und drehte. Lisiecki traf perfekt den Ton böhmischer Musik.
Wie gern hätte man hier noch „Auf verschlungenen Pfaden“ von Janácek gehört.
Im 2. Teil hörte man von Chopin die „Grandes Études Op.10“.
Hier kann ein manuell hervorragender Pianist zeigen, was er drauf hat.
Jan Lisiecki nutze diese Gelegenheit und bewies, dass er in die absolute Spitzenklasse der Pianisten gehört. Mit äußerster Eleganz, niemals ruppig werdend, jede Schwierigkeit mühelos meisternd, ohne in die Verführung großer Gesten zu verfallen, musizierte er.
So brillant er auch den Chopin spielte, die musikalische Ausführung des ersten Konzertteils zeigte ihn als den grandiosen Musiker, bei Chopin den begnadeten Pianisten.
Eine Zugabe gab er nur, obwohl die Zuhörer stürmisch mehr forderten, es war genug.
Riesenbeifall.
Ein großer Abend im ausverkauften Saal der Kaiser-Friedrich-Halle, die ich bei Konzerten so besetzt seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Er wurde vom Initiativkreis Mönchengladbach ausgerichtet in der Reihe „Pianisten der Welt in Mönchengladbach“.
In die Reihe der bisher verpflichteten Künstler reihte er sich würdig ein. Der Initiativ-Kreis bewies wieder einmal, dass Mönchengladbach nicht unbedingt künstlerische Provinz ist.
Eine großartige Sache. Den Mitgliedern und Sponsoren sei herzlich gedankt.
Herbert Rommerskirchen
Foto: Mathias Bothor-DG