Mikhel Kütson – Generalmusikdirektor, Gefeiertes Debüt eines hinreißend begabten Dirigenten
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Ein junger, elastischer Mensch betritt das Podium und nimmt in seiner Unbefangenheit und Gelassenheit gleich für sich ein.
Sollte er Lampenfieber für seinen ersten Auftritt als Generalmusikdirektor gehabt haben, konnte er offensichtlich gut damit fertig werden.
Zu seinem Dirigieren kann man nur Positives sagen.
Ein sehr präziser Schlag, aus dem die Musiker klar die Vorstellungen über Zeitmaß – Verzögerungen, Anziehen des Tempos, die vielleicht etwas anders sind als die in der Probe erarbeiteten Vorstellungen des Primus inter Pares, erkennen und nachvollziehen. Die linke Hand formt sehr schön die dynamischen und gestalterischen Feinheiten, modelliert den Klang, Farben entstehen, die man hier schon seit Ewigkeiten nicht mehr vernommen hat. Soll es dann ganz besonders ausdrucksvoll werden, legt er den Taktstock weg und modelliert mit beiden Händen.
Die Partitur hat er stets vor Augen, obwohl er sie bestimmt nicht nötig hat.
Das erinnert an den großen Dirigenten Hans Knappertsbusch, der einmal gefragt wurde, warum er die Partitur nutze und nicht auswendig wie verschiedene seiner Kollegen dirigiere.
Antwort: „Ich kann Partitur lesen und weiß, wo ich bin“.
Eine sehr große Spannweite im dynamischen Bereich ist wahrscheinlich ein Herzensanliegen. Es geht hier vom zartesten, beim Sänger würde man sagen gestützten Pianissimo, kaum noch hörbaren, aber tragenden Ton, bis hin zum explosiven, aber nie gellenden Fortissimo.
Wenn diese Tugenden nun auch in der Oper zu hören sein werden, wird die musikalische Sparte unseres Theaters gewiß eine ganze Menge profitieren.
Zum Konzert:
Zu Beginn gab es die „Valse triste von Jan Sibelius, die bereits auf das nun Folgende einstimmte.
Es erklang die „Morgendämmerung“ seines estnischen Landsmannes Heino Eller.
Ein Werk, das frisch, zauberhaft atmosphärisch, in kunstvoller Einfachheit erklingt. Der Sonnenaufgang ist deutlich bis zum vollen Glanz nachzuvollziehen, Nicht zu verkennen ist hier des Komponisten Kenntnis von Haydn`s Schöpfung und der Straußschen Tondichtungen.
Kütson nahm sich des klangschönen Werks mit spürbarer Hingabe an. Vom zarten Piano des Anfangs bis zu den großen Ausbrüchen fesselnd. Ein Werk, das doch eigentlich ein Publikumsrenner sein müßte!
In der Mitte dann wieder ein skandinavisches Werk, Griegs Klavierkonzert a-moll op 16.
Dieses sehr bekannte Werk, das den Ausführenden alle Gelegenheit zur Zuschaustellung virtuoser Fähigkeiten gibt, erklang hier in vielen Passagen durchaus kammermusikalisch, die großen Ausbrüche kamen aber nicht zu kurz.
Olga Scheps, die noch junge, absolut souveräne Solistin, jeder technischen Schwierigkeit gewachsen, kostete in steter Verbindung mit dem wundervoll begleitenden Orchester alle Feinheiten und Schönheiten der Partitur aus. Wie herrlich der Aufbau des Orchesters in der Einleitung zur Solokadenz des ersten Satzes, wie klangvoll die große Cellokantilene. In der Kadenz spielte Frau Scheps natürlich ihre fabelhaften technischen und musikalischen Fähigkeiten aus.
Ein Zusammenwirken von Solistin und Dirigent (Orchester) das man wohl hier auch schon lange nicht mehr vernommen hat. Ein kurzer Blick, und der richtige Knopf war gedrückt. Es hätte eine Liebesbeziehung zwischen den Mitwirkenden sein können. Eine wundervolle Ausführung des doch oft abgenudelt wirkenden Stücks. Kütson erwies sich als wunderbar einfühlsamen Begleiter, niemals die musikalische Linie verlassend, der Solistin und unserem Orchester wie bereits erwähnt, die Chance zu geben, frei zu musizieren.Toll!
Trotzdem war Schönbergs Bearbeitung des Klavierquartetts op. Nr.1 g-moll op 25 von Johannes Brahms der Höhepunkt des Abends.
Schönberg setzte dieses Werk auf Wunsch des Großen Dirigenten Otto Klemperer in eine Fassung für großes Orchester. Auftraggeber war dann das Los Angeles Sinfonieorchester.
Schönberg wollte eigentlich im Stile von Johannes Brahms orchestrieren, aber Schönberg dachte wohl kompositorisch weiter. Er behält zwar den Notentext seines großen Vorbildes eigentlich genau bei, die Instrumentation ist jedoch Brahmsuntypisch.
Die Klangfarben klingen doch oft nach Hollywood. Der Klavierpart des Originals wird auf die verschiedenen Orchestergruppen aufgeteilt.
Die Darstellung des Werkes gelang Kütson und unserem Orchester vorzüglich.
Herrlich erfüllte Piani, glänzende Holz- und Blechbläser, ein wunderbar samten aufspielender Streicherapparat (Tiefe Streicher), wieder atemberaubende Pianissimi, strahlende Fortissimi. Die Terzenseligkeit , Sextenseligkeit , die melodischen Passagen mit ihren harmonischen Verläufen, das Vorwärtsdrängende, die Rhytmik mit ihren Akzentverschiebungen waren eigentlich selbstverständlich in ihrer Ausdeutung.
Fazit:
Ein ungemein begabter, junger Dirigent, ein ungewohnt folgendes Orchester, eine große, junge Pianistin. Ein Konzert, das den doch lange schon resignierenden Musikfreund höchstlich erfreute.
Der begeisterte Applaus des Publikums brachte Frau Scheps zu einer Zugabe, leider war dem Anschein nach das Orchester (Dirigent ?) darauf nicht vorbereitet. Der große Beifall hätte doch honoriert werden müssen! Kütson strahlte!
Wäre doch schön gewesen nach dieser Leistung!
Besuchtes Konzert Kaiser Friedrich Halle am 6.9.2012
Herbert Rommerskirchen