Symptome der Macht – Teil XXIV: „Chefsachen“ sind keine „Schirmherrschaften“

Bernhard Wilms [ - Uhr]

In hierarchischen Strukturen ist das Prinzip „Ober sticht Unter“ weit verbreitet. Das ist im Normalfall von allen Beteiligten akzeptiert und drückt sich meist in Organisationsanweisungen, Arbeitsverteilungsplänen u.ä. aus.

Das Manko bei Arbeitsverteilungsplänen, beispielsweise in großen (öffentlichen) Verwaltungen ist jedoch, dass zwar die Tätigkeiten (= Arbeiten) beschrieben werden, selten jedoch festgelegt ist, welche Kompetenzen im Sinne von Zuständigkeit, Entscheidung und Verantwortung dem jeweiligen Mitarbeiter zugestanden werden.

Dabei führt besonders die Frage „Was darf ich entscheiden“ bei den Mitarbeitern zu unterschiedlichen Wahrnehmungen, die maßgeblich vom Führungsverhalten der Vorgesetzten bestimmt werden.

So gibt es in der Mönchengladbacher Verwaltung Fachbereiche, Abteilungen und Ämter, deren Leiter ihren Mitarbeitern einen großen Freiraum einräumen. Sie delegieren.

Solche Mitarbeiter entscheiden im Rahmen ihrer Aufgaben weitgehend eigenständig und verantwortungsbewusst und lassen nach Außen hin Sicherheit und Zufriedenheit erkennen.

Dass Entscheidungen auch schon einmal falsch sein können, liegt ebenso in der Natur des kooperativen Delegationsprinzips, wie das Tolerieren solcher Fehler.

Andere Teile der Verwaltung zeichnen sich dadurch aus, dass keine Aussage, kein Schriftstück o.ä. den Bereich verlassen, ohne dass der Leiter desselben diese „abgesegnet“ hat.

Die dort beschäftigten Mitarbeiter arbeiten nach dem Prinzip ‚Ich mache nicht mehr als das, was ich muss bzw. was mir gesagt wird. Entscheiden darf und will ja sowieso nur der Chef.

Antworten, wie „Dazu kann ich nichts sagen, da müssen Sie meinen Chef fragen“ machen selbst bei einfachen Dingen deutlich, dass der Chef seine Leute im negativen Sinn „im Griff“ hat. Noch deutlicher die Aussage: „Das ist bei uns Chefsache!“

Solche Mitarbeiter haben im Bewusstsein, einen sicheren Job zu haben, schon die „innere Kündigung“ ausgesprochen und versuchen, auch Außenstehenden – also auch den Bürgern -gegenüber diese Einstellung gar nicht erst zu verhehlen.

In diesen Verwaltungsteilen wird also jede Kleinigkeit zur „Chefsache“ erklärt, so dass der „Chef“ auch über eben diese Kleinigkeiten Bescheid weiß. Er macht sich damit selbst zu seinem teuersten Sachbearbeiter, vergeudet seine Zeit und vernachlässigt seine Führungs- und Lei(s)tungsaufgaben.

Ein solches Verhalten kann unterschiedliche Beweggründe haben, wobei zwei besonders hervorstechen.

Zum einen ist es ein ausgeprägtes Misstrauen den Mitarbeitern gegenüber, gepaart mit einem fast krankhaften Kontrollzwang, der sich aus dem Mangel an „gewachsener Autorität“ ergibt. Also spielen diese „Leiter“ ihre „Autorität von Amts wegen“ aus, nach Innen und Außen.

Zum anderen ist es die Frage der Macht über Mitarbeiter und nach Außen als „Verwaltung“, gepaart mit der Unsicherheit, dass in seiner Organisationseinheit Fehler gemacht werden könnten, von denen er als „Leiter“ nichts weiß.

Dieses Verhalten ist besonders bei solchen Vorgesetzten ausgeprägt, die über ein Parteibuch ge-/befördert wurden, ohne dass vorher auch nur im Ansatz deren Befähigung zur Führungs-/Leitungskraft festgestellt wurde.

Es wurde nicht festgestellt, ob sie über Authentizität, Integrität und klare Orientierungen verfügen, die Vertrauen schaffen, begeistern, überzeugen.

Bei Autoritäten von Amts wegen, als auch bei politischen Wahlämtern, lässt sich eine Korrelation des so genanten „Peter-Prinzips“ und der „Autorität von Amts wegen“ (besser: „Macht von Amts wegen“) herstellen.

Beliebtes „Stilmittel“ der Ausübung von „Macht von Amts wegen“ sind Äußerungen und Handlungsweisen, wie „Das mache ich jetzt zur Chefsache“.

Damit soll deutlich gemacht werden, dass „Ober den Unter sticht“ und, dass dem „Ober“ eine Sache persönlich ganz besonders wichtig zu sein scheint. Beispiele gibt es auch in Mönchengladbach:

  • Bei der „Methangas-Anlage Wanlo“ gab es in der Endphase Tendenzen, dass die NVV (jetzt: NEW) nach massiven Bürgerprotesten das Projekt fallen lassen wollte. Hierzu gab es im Aufsichtsrat Diskussionen in deren Verlauf OB Bude darauf bestanden hatte, das Projekt unter allen Umständen weiter zu verfolgen.Das Ergebnis ist bekannt: Durch eine politische Mehrheit im Rat wurde das Projekt über die Ablehnung des Bebauungsplans gestoppt.
  • Die Idee „Zusatzname für Mönchengladbach“ erklärte OB Bude zur „Chefsache“ und will sich, nachdem nur 190 Vorschläge aus der Bürgerschaft kamen, „Kreative“ aus Mönchengladbach suchen, um die Idee dennoch weiter voranzutreiben.Seitdem hört man davon nichts mehr.
  • Zum Thema „Postareal“ veranlasste OB Bude, dass der Vorentwurf für einen Bebauungsplan für dieses Gebiet, der den Intentionen des „Innenstadtkonzeptes Rheydt“ entsprach, von der Tagesordnung einer der Sitzung der Bezirksvertretung Süd entfernt wurde. Dadurch konnte ein „Deal“ im Zusammenhang mit dem HDZ (ARCADEN) greifen.   Ergebnis: Die Eigentümerin des Postareals, die Firma Jessen, kann so bauen, wie sie es schon seit Erwerb des Geländes vor hatte.
  • In Kürze wird sich ebenfalls zeigen, ob zu dem vorgenannten „Deal“ auch der Bau eines weiteren Discounters durch die Firma Jessen am Stapper Weg (Gelände der insolventen BEV Beton- und Eisenvertrieb GmbH) gehört, und damit das „Zentrenkonzept“ umgangen wird.
  • Bei der Personalentscheidung „Integrationsbeauftragter“ hat der OB von seinem Direktionsrecht gebrauch gemacht. Dies hatte die Versetzung des bisherigen Stellinhabers in einen anderen Fachbereich bei gleichzeitiger Zuordnung der Funktion zum Zuständigkeitsbereich des OB zur Folge.Ergebnis: Der Posten ist derzeit vakant. Außerdem ist unklar, ob die Funktion erhalten bleibt, oder ob daraus eine Planungs- und Koordinierungsstelle entstehen wird.
  • Zu „Chefsachen“ wollte OB Bude „unumkehrbare Entscheidungen von Fraktionsvorsitzenden“ machen, als er nicht nur ungeschickt, sondern fern ab von der politischen Realität, versuchte eine neues „Basta“-Gremium in der Ampel-Kooperation zu schaffen. Dass er sich dabei als „4. Ampelpartner“ in diesem Gremium sah, war unverkennbar.Ergebnis: Keiner der (übrigen) drei Ampelpartner ist auf dieses durchsichtige Manöver hereingefallen. Selbst die Vorsitzende seiner eigenen Partei erteilte diesem Ansinnen eine Absage, wie im BZMG-vis-á-vis-Interview im Abschnitt „… politische Situation in Mönchengladbach …“ zu lesen und zu hören ist.

Zur „Chefsache“ erklären, lassen sich nur Angelegenheiten einer hierarchisch strukturierten Organisation, wie in der Mönchengladbacher Verwaltung. Das kann beispielsweise der Oberbürgermeister als Hauptverwaltungsbeamter sein, oder ein Dezernent oder ein Fachbereichsleiter, oder …

Das Dilemma in das ein solcher „Chef“ sich und die betroffenen Mitarbeiter bringt, ist nicht erst bei näherer Betrachtung erkennbar.

Entweder der „Chef“ schafft für seine „Chefsache“ neue Arbeitsplätze und besetzt sie kraft seiner „Macht von Amts wegen“ mit Mitarbeitern aus anderen Bereichen, oder er erteilt Aufträge an den Vorgesetzten der Mitarbeiter vorbei und bringt die betreffenden Mitarbeiter in die „Zwickmühle“, welchem „Herrn sie dienen“ sollen.

Andererseits könnte es Mitarbeiter geben, die eine „Chefsache“ zum eigenen Vorteil nutzen, um sich individuelle „Freiräume“ zu schaffen.

Möglicherweise leicht verwechselbar, jedoch eine vollkommen andere „Qualität“ hat im Gegensatz zur „Chefsache“ die so genannte „Schirmherrschaft“, die dem Oberbürgermeister als „Repräsentanten der Stadt“ gerne angeboten, und von ihm meist auch ebenso gerne angenommen wird.

Schirmherrschaften haben mehr symbolische als effektive oder gar finanziell unterstützende Wirkung und zeichnen sich durch öffentlichkeitswirksame Auftritte, Grußworte und vielleicht einmal eine kleine Spende für den jeweiligen Zweck aus.

Je nach Zeitpunkt können solche „Aktionen“ auch als PR-Maßnahmen „in eigener Sache“ gewertet werden.

Eine dauerhafte Unterstützung seitens des Oberbürgermeisters in seiner anderen Funktion, nämlich als „Hauptverwaltungsbeamter“ und damit als Verwaltungschef darf in solchen Fällen nicht erwartet werden.

Ein Kommentar zu “
Symptome der Macht – Teil XXIV: „Chefsachen“ sind keine „Schirmherrschaften“”
  1. „Das Erlangen von Macht und Status um jeden Preis sind oft Verhaltensweisen, um den Mangel an authentischem Selbstwert zu kompensieren.“

    Und:

    „Doch gleichgültig, mit welchem Etikett Führung versehen wird, es geht aus den vielen Mitarbeiterumfragen klar hervor: Mitarbeiter wünschen sich vor allem echte Chefs!“

    Aus:

    http://www.schenkpartner.ch/de/user_files/102874_F%C3%BChrungsfaktor%20Authentizit%C3%A4t.pdf

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