Verfahren gegen die Viehof-Brüder mit Verlesung der Anklageschrift und ersten Stellungnahmen der Beklagten eröffnet
Red. Politik & Wirtschaft [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Im Gerichtssaal 100 des Justizgebäudes an der Hohenzollernstraße begann am Donnerstag, den 17.11.2011 der Prozess gegen die Viehof-Brüder, den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. Richard Schulze zur Wiesch und Erich Dohmen, einer ehemaligen Allkauf-Führungskraft.
Pressedezernent und Vorsitzender Richter am Landgericht Joachim Banke fasste gegenüber WDR und BZMG die Vorwürfe so zusammen:
[audio:11-11-17-viehof-99-interview-banke.mp3]Vor der Verhandlung wartete neben den Beklagten und Ihren Anwälte auch eine Vielzahl von Journalisten auf dem Flur zum Schwurgerichtssaal.
Nachdem der Vorsitzende Richter in diesem Prozess, Lothar Beckers, die Formalien geklärt hatte, verlas die ermittelnde Staatsanwältin Christiane Ritgens in einem fast zweistündigen Vortrag die Klageschrift.
Richter Beckers gab danach den Beklagten die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen und betonte dabei, dass dies keine Plädoyers werden dürften.
Staatsanwältin Ritgens beschrieb alle Anklagepunkte, die jedem einzelnen Angeklagten vorgeworfen werden. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Beihilfe zur Steuerhinterziehung und uneidliche Falschaussagen.
Sie beschrieb, dass sich nach dem Verkauf der Allkauf-Warenhauskette an die Metro AG im Februar 1998, dreizehn Führungskräfte (Geschäftsführer und Prokuristen) an die Viehof-Brüder gewandt hätten, um – wie es in der Klageschrift heißt – zusätzliche Abfindungszahlungen zu erhalten.
Hierzu haben die Brüder Viehof dann einen Finanzpool von 10 Mio. DM zur Verteilung an die Führungskräfte bereitgestellt und die zu Begünstigenden zur Geheimhaltung verpflichtet.
Ausgezahlt werden sollte das Geld nämlich nicht sofort, sondern zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt. Dies geschah ab 2001 im Rahmen von Schenkungsverträgen.
Einzelnen Führungskräften wurden schon 1998 Darlehen gewährt, die jedoch nicht zurückgefordert oder zurückgezahlt, sondern später in Schenkungsverträge umgewandelt wurden, womit auch die Darlehenszinsen erlassen wurden.
Die Schenkungsbeträge wurden nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht in einer Summe an die ehemaligen Führungskräfte gezahlt, sondern aufgeteilt an diese, deren Ehefrauen und Familienangehörige.
Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden werfen den Beklagten vor, dass die Zahlungen nur deshalb später vorgenommen wurden, um so einen Bezug zu dem aufgelösten Arbeitsverhältnis zu verschleiern. Dazu habe auch die Aufteilung der Zuwendungen auf mehrere Personen gedient.
Auf diese Weise sollen ehemalige Geschäftsführer und Prokuristen Steuern hinterzogen, und die Viehof-Brüder und der Steuerberater ihnen dabei mittels Schenkungsverträgen geholfen haben.
Durch einen „Schenkungsrechner“ kann überschlägig ermittelt werden, dass bei einer Schenkung von beispielsweise 900.000 EURO Schenkungssteuer von 264.000 EURO fällig wird: http://www.biallo.de/finserv/rechnerinframe/Steuern/rechner_schenkungneu.php
In Abhängigkeit von den individuellen Steuervoraussetzungen kann der Schenkungssteuersatz bei etwa der Hälfte des Steuersatzes liegen, der zum Ansatz käme, wenn solche Zuwendungen als Abfindung – also als Gehalt – gelten.
Den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung wies Eugen Viehof (Bildmitte) in seiner etwa fünfzehnminütigen Erklärung, die er auch im Namen seiner drei Brüder abgab, als unbegründet zurück.
Man habe nach dem Verkauf der Allkauf-Gruppe zwölf Mitarbeitern Zuwendungen gemacht, die als Schenkung einzustufen gewesen seien.
Viehof beteuerte, dass er und seine Brüdern zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt hätten, „den Fiskus zu schädigen“.
Die Zahlungen seien von den Privatkonten, also aus versteuertem Vermögen, vorgenommen worden. Dies sei freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung und in Sorge um die wirtschaftliche Zukunft der ehemaligen Mitarbeiter geschehen.
Bekanntlich würden bei der Übernahme von Unternehmen Führungskräfte meist nicht weiter beschäftigt.
Eine „zeitnahe Zuwendung“ wollten die Viehof-Brüder vermeiden, um bei der Metro-Gruppe keine „Missverständnisse und Irritationen“ entstehen zu lassen, die sich negativ auf die ehemaligen Allkauf-Mitarbeiter hätten auswirken können. Dies sei auch der Grund für die abgeschlossenen Geheimhaltungserklärungen gewesen.
Der Steuerberater habe seinerzeit darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörden die Schenkung auch als Arbeitseinkommen ansehen und entsprechend die Schenkungssteuer als Einkommensteuer „umdeuten“ könnten.
Der ebenfalls angeklagte Steuerberater Dr. Richard Schulze zur Wiesch erklärte, dass ihn der Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hart träfe.
Man sei sich damals sicher gewesen, dass es sich bei den Vorgängen um schenkungssteuerliche Sachverhalte gehandelt habe, und er sei auch heute noch davon überzeugt. Auch die Sozialversicherungsaspekte seien geprüft worden.
Deshalb sei auch eine sofortige Schenkung unterblieben, sondern zu einem späteren Zeitpunkt ins Auge gefasst worden.
In einigen Fällen, in denen die Empfänger sehr um die Zahlungen verlegen waren, habe man sich für die Möglichkeit entschieden, die Summen zunächst als Darlehen zur Verfügung zu stellen und entsprechende Darlehensverträge entworfen und geschlossen.
Man habe die geplanten freiwilligen Schenkungen nie hinterfragt und diese auch nie mit der nun vorgeworfenen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Zusammenhang gebracht; dies sei außerhalb seiner Vorstellungen und der Vorstellungen der Viehof-Brüder gewesen.
Schulze zur Wiesch, der die Schenkungsverträge entworfen hatte, beteuerte, dass er dies für den einzig richtigen Weg gehalten habe, um klarzustellen, dass die Beschenkten die Schenkungssteuer zu zahlen haben.
Auch wenn die Schenkungen schon 1998, also unmittelbar nach dem Unternehmensverkauf, gezahlt worden wären, hätte Schulze zur Wiesch die Zuwendungen als Schenkung und nicht als eine anders zu versteuernde Abfindung, also als Einkommen, eingestuft.
Ausschlaggebend war für ihn auch, dass Schenkungen – je mehr Zeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und der Schenkung verstrichen ist – nicht mehr dem Arbeitsverhältnis zugeordnet werden kann und im vorliegenden Fall nicht einkommenssteuer- sondern schenkungssteuerpflichtig würden.
Diese Einschätzungen werden eine wesentliche Rolle in den weiteren Verhandlungstagen spielen und in diesem Zusammenhang auch die Frage, inwieweit bei einer Besteuerung der Zuwendungen als Einkommen, Sozialversicherungsaspekte zu berücksichtigen sind.
Den Beklagten drohen wegen Beihilfe Bewährungs- oder Geldstrafen.
Der Prozess wird am 01.12.2011 fortgesetzt.