Flüsterasphalt … gesetzeskonform? – Teil I: Planungen gesetzeskonform?
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Wenn Mittel aus dem Konjunkturprogramm II nach dem ZuInvG (Zukunftsinvestitionsgesetz vom 2. März 2009) fließen, sind Verwaltung und Politik nicht nur für eine sinnhafte, sondern auch nachhaltige Verwendung verantwortlich.
Etwa 35% der ca. 32,2 Mio. EURO, die Mönchengladbach nun zur Verfügung stehen, müssen für infrastrukturelle Maßnahmen ausgegeben werden.
Ganz bürgernah hat man nun in unserer Stadt eine Idee:
Wir tun was für die hochbelasteten Anwohner an unseren Verkehrsstraßen. Wir stecken Geld in den Lärmschutz; das ist im Rahmen des Konjunkturpakets ja zulässig. Eine mögliche Lärmschutzmaßnahme ist das Aufbringen eines „lärmmindernden Deckenbelages“. Soweit so gut.
Also stellen wir eine Liste von Straßen zusammen, in denen schon seit einiger Zeit Handlungsbedarf besteht, ergänzen sie um die eine oder andere Straße, in der wir durch anstehende Großprojekte zukünftig Probleme kriegen könnten und schon haben wir wieder was zur Verbesserung des Autoverkehrs getan – und natürlich für den Lärmschutz der Anwohner; das steht (natürlich) im Vordergrund.
Soweit so gut – oder eher schlecht, denn:
Maßnahmen der „normalen“ Straßeninstandhaltung, also beispielsweise das Beheben von Belagsschäden, wie Schlaglöchern o.ä. sind im Rahmen des Konjunkturprogramms II nicht zulässig.
Und dann ist noch ein grundsätzliches Problem zu lösen: Bringt das Aufbringen von lärmmindernden Deckenbelägen den Anwohnern wirklich eine Entlastung?
Betrachtet man die Vorschläge, welche die Mönchengladbacher Bauverwaltung den Politikern zur Entscheidung vorlegen wird, sind Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit angebracht. Das auch vor dem Hintergrund der Gesamtkosten in Höhe von 4.757.850 EURO.
Die Frage, welcher Belag „lärmmindernd“ ist (man könnte ihn auch „Flüsterasphalt“ nennen), steht dabei nicht im Mittelpunkt; da bietet der Markt entsprechende Bauweisen, die eine Reduzierung um 3 bis 5 dBA möglich machen und auch kaum teurer sind als herkömmliche Deckenbeläge.
Was bringt so ein „Flüsterasphalt“?
Was jedoch diese lärmmindernden Beläge im konkreten (Straßen-)Fall bewirken können, muss hinreichend geprüft werden.
Hierbei ist zum einen die Tatsache zu berücksichtigen, dass wissenschaftliche Untersuchungen, z.B. von Prof. Radenberg (Uni Bochum) ausschließlich Pkw-Verkehre berücksichtigt haben und nachweislich erst bei Geschwindigkeiten über 40 km/h die „Lärmkombination“ aus Straßenbelag und Reifen dominiert, während hingegen unterhalb von 40 km/h Lärmentwicklungen vorrangig von Fahrzeugmotoren und anderen fahrzeugbezogenen Quellen herrühren.
Daraus ergibt sich, dass lärmmindernde Beläge bei Straßen, auf denen aus unterschiedlichen Gründen immer wieder nur Geschwindigkeiten unterhalb von 40 km/h gefahren werden, ohne Sinn sind. Ebenfalls macht es keinen Sinn, Straßen in dieses „Programm“ aufzunehmen, an denen keine betroffenen Bürger leben und wohnen, bzw. wo eine Lärmbelästigung kaum zu erwarten ist.
Beispiel Nordstraße:
Die Verwaltung schlägt vor, die Nordstraße von der Friedrich-Ebert-Straße quasi durchgängig bis zur Otto-Safran-Straße mit einem neuen, lärmminderndem Belag zu versehen.
Schaut man genauer hin, stellt man sich die Frage: Warum?
Wer den ersten Teil der Straße von der Friedrich-Ebert-Strasse aus befährt, schafft es kaum bis zu Beginn der 30-km-Zone eine Geschwindigkeit von über 40 km/h zu erreichen. Anschließend folgen ein Fußgängerüberweg und der Kreisverkehr am „Fischerturm“; alles andere wäre übrigens fahrlässig.
Kaum anders stellt sich die Situation auf dem etwa 240 Meter langen Teilstück zwischen dem Kreisverkehr und der Kreuzung mit der Gartenstraße dar. Hier vermeiden parkende Fahrzeuge am Straßenrand und Gegenverkehr das deutliche Überschreiten von 40 km/h.
Interessant ist der Abschnitt zwischen der Garten- und Otto-Safran-Straße. Auf dem Abschnitt bis zur Pötterstraße befinden sich ausschließlich an der linken Straßenseite auf einer Länge von etwa 80 Metern relativ weit zurückliegende Gebäude.
Auf der rechten Straßenseite befindet sich keine Bebauung, sondern lediglich ein Friedhof.
An der restlichen Nordstraße liegen linksseitig Sportplätze und recht auf einer Länge von ca. 160 Meter räumlich abgesetzte Gebäude.
Wenn die übrigen 20 Straßenabschnitte, auf denen lärmdämmende Decken aufgebracht werden sollen, mit gleicher „Qualität“ ausgewählt wurden, kann man weder von sinnhafter noch nachhaltiger Mittelverwendung sprechen.
Bleibt zu hoffen, dass Politiker die Verwaltung auffordern, spezifisch darzulegen, nach welchen Kriterien Auswahl und Priorisierungen vorgenommen wurde. Die Antworten dürften interessant werden.
Schließlich veranschlagt die Verwaltung für den lärmmindernden Straßenbelag auf der Nordstraße 339.750 EURO.
Ebenso interessant dürfte eine Erklärung sein, warum beispielsweise die Friedrich-Ebert-Straße von Cecilien- bis Freiheitsstraße ausgewählt und priorisiert wurde.
Insbesondere für Straßen mit derart starken Lärmbelastungen durch Pkw- und insbesondere auch Lkw-Verkehre ist nach wissenschaftlicher Erkenntnis das Aufbringen von lärmminderndem Asphalt ohne Effekt.
Hierfür veranschlagt die Bauverwaltung Kosten in Höhe von 135.000 EURO
Möglicherweise prüfen die entscheidenden Politiker ja einmal „vor Ort“ die „Sinnhaftigkeit“ der Verwaltungsvorschläge, über die sie entscheiden sollen.
Möglicherweise kommen auch sie ja beispielweise bei der Nordstraße – zumindest für den Bereich zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Gartenstraße – zu dem Schluss, den Bezirksvertreter in Rheydt-Mitte schon seit längerem fordern, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h auszuweisen. Damit wäre den Anwohnern deutlich mehr geholfen, denn:
- Bis Tempo 40 ist der „Flüsterasphalt“ wirkungslos, also überflüssig, also viel Geld gespart
- Unter Tempo 30 ist die Luftverschmutzung und damit der Schadstoffeintrag durch den Autoverkehr deutlich geringer
- In Tempo-30-Bereichen ist die Verkehrssicherheit spürbar größer.
Möglicherweise übernehmen die Politiker aber auch kritiklos die Vorschläge der Bauverwaltung, um auf diesem Weg (mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm II) von ihren Fehlentscheidungen hinsichtlich einer sinnvollen und nachhaltigen Mittelbereitstellung für eine zukunftsgerichtete Straßeninstandhaltung abzulenken.
Es kann natürlich auch sein, dass die Politiker aus den Stadtbezirken Ihren Bürgern auf Kosten des Konjunkturprogrammes II „Wahlgeschenke“ machen wollen und daher „kritiklos“ ihre eigenen Forderungen an die Verwaltung „durchwinken“.
VORSICHT: Verantwortung!
In jedem Fall aber sind Verwaltung und Politik dafür verantwortlich, dass alle Mittel aus dem Konjunkturprogramm II so verwendet werden, wie es Bund und Länder vorgegeben haben.
Somit bleibt es spannend, wie die Antworten u.a. auf dieses Fragen ausfallen:
- Wie will die Stadt gegenüber Land/Bund den Nachweis erbringen, dass die Straßenbaumaßnahmen unter Lärmschutzgesichtspunkten sinnhaft und nachhaltig sind/waren, also dem ZuInvG entsprechen?
- Wie will Mönchengladbach den Eigenanteil von 12,5% (vom Land vorfinanziert) aufbringen, wenn ab 2012 (bis 2021) dieser Eigenanteil an das Land zurückzuzahlen ist, wenn diese nicht dauerhaften Einsparungen gegenüber stehen?
Bei den Entscheidungen werden Verwaltung und Politik zu berücksichtigen haben, dass der Bund Mittel zurückfordern kann, „… wenn von einem Land geförderte einzelne Maßnahmen ihrer Art nach den in § 3 Absatz 1 festgelegten Förderbereichen nicht entsprechen …“ (Auszug aus dem ZuInvG).
Rückforderungen nicht ausgeschlossen!
Nach Auskunft aus dem Bundesfinanzministerium gegenüber BZMG sind nach Abschluss der Maßnahmen die Länder gegenüber dem Bund verantwortlich und im Weiteren die Kommunen gegenüber dem Land. Rückforderungen richtet der Bund an das Land und dieses wird von den Kommunen zurückfordern.
Sollten also in diesem Jahr die falschen Entscheidungen getroffen werden, müssen die Kommunalpolitiker, die nach der bevorstehenden Kommunalwahl in der Verantwortung stehen, damit rechnen, die gesamten Kosten der Maßnahmen mit Zinsen zurückzuzahlen.
Nun sind viele Kommunalpolitiker „empfehlungsresistent“. Dennoch sollten sie sich im Bereich „Infrastrukturmaßnahmen“ Objekten und Vorhaben zuwenden, die Sach- und Wirtschaftlichkeitsüberprüfungen standhalten. Solche Bereiche gibt es in Mönchengladbach genug, wie beispielsweise weitere Sportplätze, Spielplätze sowie Hochwasserschutzmaßnahmen.
1.
Kritiker schrieb am 11.04.2009 um 11:04 Uhr:
Nachhaltig ist bei diesem Vorgehen jedenfalls eins ganz gewiss:
Alle zukünftigen Reparaturen werden um ein vielfaches teurer werden für die Stadt und damit für den Steuerzahler, auch Bürger genannt.
Oder will die Verwaltung die Schäden im Reparaturfall mit „normalem“ Asphalt beheben lassen? Später wird jeder zu der Erkenntnis kommen, „das haben wir so nicht bedacht“!
Und was dann?
Vor-Denken ist angesagt, auch im Wahlkampf.