Werner Gilles: Im Süden lief sein „Farbmotor“ auf Hochtouren
Red. Kunst & Kultur [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Dem in Rheydt geborenen Künstler Werner Gilles (1894-1961) widmet das Städtische Museum Schloss Rheydt aus Anlass seines 50. Todestages ab morgen, 2. September, bis zum 6. November eine Ausstellung, die einen Streifzug durch sein gesamtes Werk bietet.
Sowohl Werke aus seiner Schaffensperiode zwischen den beiden Weltkriegen als auch aus der Nachkriegszeit werden gezeigt. Werner Gilles lässt sich keiner Kunstströmung seiner Zeit eindeutig zuordnen.
Dennoch zählt er als künstlerischer Einzelgänger mit seinem Werk, das sich zwischen expressiver, gegenständlicher Darstellung und lyrischer Abstraktion bewegt, zu den großen deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts.
Zusammengetragen wurden die Ausstellungsstücke sowohl aus dem Nachlass von Werner Gilles als auch als Leihgaben aus Privatbesitz. Die Bestände des Städtischen Museums Schloss Rheydt ergänzen die mehr als 50 Arbeiten, die in der Ausstellung gezeigt werden.
Nach dem 1. Weltkrieg wird Gilles Schüler von Walther Klemm an der Weimarer Akademie, wechselt aber noch 1919 an das neu gegründete Bauhaus in die Klasse von Lyonel Feininger und bleibt bis 1923 in dieser Schule für Kunst und Gestaltung eingeschrieben.
In dieser Zeit pflegt Gilles eine Freundschaft mit Gerhard Marcks und Oskar Schlemmer. Aber auch mit namhaften Künstlern wie Paul Klee, Otto Purrmann oder Gerhard Marx macht Werner Gilles, der für sein Lebenswerk 1961 mit dem Lichtwark-Preis der Freien Hansestadt Hamburg ausgezeichnet wird, die Bekanntschaft, ohne sich allerdings von ihnen beeinflussen zu lassen.
„Werner Gilles lässt sich in keine Schublade einordnen. Sein Werk hat viele Facetten und ist zu keinem Zeitpunkt in einem eindeutigen Stil verortet“, betont Dr. Klaus Möhlenkamp, Kurator im Museum Schloss Rheydt, der die Werke der sehenswerten Ausstellung nicht chronologisch, sondern thematisch angeordnet hat.
Ob Landschaften, Stillleben, Personendarstellungen, die so genannten „Fischer-Bilder“, Reiterdarstellungen oder das Thema „Tod und Trauer“ sowie sein Hauptthema Ischia: in der direkten Gegenüberstellung von Früh- und Spätwerk wird der Wandel des Künstlers, der immer wieder in südlichen Gefilden buchstäblich „auftankte“ und hier, wie er selbst sagte, „den Farbmotor“ anschmiss, besonders ersichtlich.
Während er in seiner Heimat in Deutschland unter den dunklen Jahreszeiten litt, lebte er auf der Insel am Golf von Neapel förmlich auf. Farbenfroh spiegeln die im Freien entstandenen Arbeiten das mediterrane Licht. Überhaupt ist Ischia das Generalthema seines Spätwerkes, wenngleich sein Frühwerk noch eher für die Tendenzen der zwanziger Jahre wegweisend war.
Zu einem ersten Italienaufenthalt entscheidet er sich 1921/22. Nach dem Studium ist sein Leben von ständigen Ortswechseln geprägt: Nach einer weiteren Italienreise hält er sich zwischen 1925 und 1930 in Düsseldorf, Paris und Berlin auf. 1932, bei seinem ersten Besuch auf der italienischen Insel Ischia, findet der Künstler, was seine malerische Imagination anregt: Die Vereinigung von antik Heidnischem und abendländisch Christlichem, von Geschichte und Gegenwart.
In dieser südlichen Landschaft findet Gilles sein zentrales Bildthema. In seinen Ölbildern und Aquarellen schildert er die heitere wie die bedrohliche Seite dieser Ur-Landschaft, erfasst ihr elementares Wesen in immer neuen Variationen, die unmittelbar in der Natur entstehen.
Das Spätwerk nimmt verschiedene stilistische Impulse auf. Wo frühe südliche Landschaften der 1920er Jahre – orientiert an der Murnauer Schule und am Blauen Reiter – meist leuchtende, pastos aufgetragene, mit Schwarz kontrastierte Lokalfarben aufweisen, ist gegen Ende der 1930er Jahre eine klassizierende Formensprache der Zeichnungen und Gemälde zu beobachten.
In den Arbeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre bestimmen vereinfachende Stilisierungen der Gegenstände und Figuren und eine zunehmende Flächenhaftigkeit der Kompositionen sein Werk. Gilles verbringt ab 1951 die Winter in München und die Sommer auf Ischia.
Am 23. Juni 1961 stirbt Werner Gilles in Essen. In seinem Geburtsort Rheydt, wo er in der Hauptstraße aufwuchs, ist heute eine Straße nach ihm benannt.
Nicht nur wegen der ausgestellten Arbeiten lohnt sich ein Ausstellungsbesuch. Auch sieben Briefe, die aus der Korrespondenz zwischen Werner Gilles und Werner Kaesbach bestehen, sind zu sehen.
Die aus dem Nachlass von Kaesbach stammenden und von Gilles allesamt in München geschriebenen Briefe spiegeln seine Sicht auf das ferne Ischia und seine tiefe Sehnsucht nach dem Süden.
Ein interessantes Zeitdokument über seine Arbeit auf der Vulkaninsel ist auch der Film, den Dr. Klaus Möhlenkamp aus der Stadtbildstelle besorgt hat, um ihn für die Dauer der Ausstellung den Museumsbesuchern zu zeigen. Hier in einer einsamen Schlucht am Strand fand Werner Gilles seinen festen Platz und seine zahlreichen Bildmotive.
Dem äußeren Naturbild setzte Werner Gilles seine innere Wirklichkeit entgegen. „Gilles dichtet aus Formen und Farben und singt das Lied der Zerrissenheit der Welt; das Lied des Orpheus“, heißt es in der Filmdokumentation aus dem Ende der 1950er Jahre.
Zusätzliche persönliche Anmerkungen zu Leben und Werk des Künstlers gibt Dr. Klaus Kleinheisterkamp zur Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 2. September, um 19 Uhr im Museum Schloss Rheydt. Der Neffe von Werner Gilles hat bereits als kleiner Junge ganz persönliche Kontakte zu seinem Onkel gepflegt und diesen auf der Insel Ischia besucht. [Stadt MG]