Städtisches Forderngsmanagement: „Ventilwächter“ überschätzt?
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Diese Feststellung muss man treffen, wenn man hört, dass die Stadt Mönchengladbach ab dem 1. Juli, für eine Pilotphase von sechs Monaten sogenannte „Ventilwächter“ einsetzen will, um damit „der schlechten Zahlungsmoral manch säumiger Schuldner mit Nachdruck entgegen zu wirken“.
Eingesetzt werden sollen die knallgelben Ventilwächter, die von den Vollziehungsbeamten der Stadtkasse auf Reifenventile an Fahrzeugen aufgesetzt werden und schon nach 200 bis 600 Metern – mangels Luftdruck – das Fahren unmöglich machen, nach insgesamt viermaliger Zahlungsaufforderung.
Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, will die Stadt nach dem neuen „Vollstreckungsinstrument“ greifen, das bereits in rund 350 Städten bundesweit eingesetzt wird und zu positiven Erfolgen geführt haben soll.
Etwa 50,00 EURO sollen die gelben Gerätchen kosten, die leicht zu überlisten sind.
Sie funktionieren nämlich erst ab eine Geschwindigkeit von 15 km/h. Erst ab dieser Geschwindigkeit würde nach etwa 300 Meter die Luft aus dem Reifen entweichen. Ob das im Sinne der Verkehrssicherheit ist, muss infrage gestellt werden.
Wenn also ein Schuldner schön langsam fährt, ist er weg und mit ihm die 50 EURO. Danach wird das Rad gewechselt und alles ist wieder „easy“.
Zugegeben, trickreich! Aber: Wer (trickreich) nach vier Zahlungsaufforderungen seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, wird auch schnell auf diese Idee kommen.
Wenn der Stadtkämmerer betont, „es gilt aber hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Der Ventilwächter ist nicht das Mittel der ersten Wahl und wird einzelfallbezogen eingesetzt“, muss man sich fragen, warum um dieses kleine gelbe Ding so ein Hype gemacht wird.
Vielleicht ja deshalb, weil man beim Thema „Schulden gegenüber der Kommune“ sonst nichts „Plakatives“ zu zeigen hatte.
Ob zum von Kuckels nicht näher beschriebenen „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ auch der Fall gehört, wenn bei einem Außenstand von beispielsweise 20.000 EURO ein Kfz mit einem Wert von 1.500 EURO „am Weiterfahren“ gehindert werden soll?
Also dürften in Zukunft in Mönchengladbach nur wenige Fahrzeuge mit den „Ventilwächtern“ zu finden sein.
Auch wenn behauptet wird, dass viele Kommunen „gute Erfahrungen“ mit den Ventilwächtern gemacht haben sollen, ist nach entsprechender Recherche festzuhalten, dass viele Stadtverwaltungen, die den Ventilwächter seit längerem einsetzen, diese Methode auch aufgrund der hohen Verlustzahl als gescheitert betrachten.
Der Trend geht seit etwa 2005 hin zu der (teuereren) Radkralle (Parkkralle), die jegliches Bewegen des Fahrzeuges und auch ein Wechseln der Reifen unmöglich machen.
Viel interessanter sind die verwaltungsinternen Maßnahmen, die die Leiterin des Projektes „FoMa“ (Forderungsmanagement), Jutta von Gehlen-Stuwe, am 28.06.2011 dem Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen vorstellte.
Mehr als eine Stunde dauerte ihr Vortrag, der mit vielen Details gespickt war. Ob alle anwesenden PolitikerInnen den kompetent vorgetragenen Inhalten wirklich folgen konnten, konnte man nicht erkennen, hatten doch einige der „etatmäßigen“ Mitglieder ihre Vertreter geschickt, weil quasi gleichzeitig der Planungs- und Bauausschuss tagte.
„Das kommunale Forderungsmanagement wird oftmals mit dem in der freien Wirtschaft verglichen. Ein Vergleich, der allerdings nicht Stand hält, da die Situation der Kommunen vor dem Hintergrund der Ziele und Aufgaben, z. B. der Daseinsvorsorge, unweit schwieriger ist“, so Jutta von Gehlen-Stuwe.
„Die Palette reicht hier von A wie Abfallgebühren bis Z wie Zweitwohnungssteuer“, betont sie. „Eine Stadt kann sich ihre Schuldner nicht aussuchen wie etwa ein Wirtschaftsunternehmen. Zahlt der pflichtige Vater nicht für den Unterhalt seines Kindes, so können der Mutter/dem Kind keine Leistungen verweigert werden“, nennt sie als Beispiel.
Das Gesamtvolumen aller offenen Forderungen beträgt derzeit rund 52,2 Millionen Euro. Bei einer Summe aller eingebuchten Forderungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro machen die „offenen Posten“ eine Quote von rund 5,1 Prozent aus.
„Insgesamt 91 Prozent der Einnahmen werden realisiert“, relativiert Jutta von Gehlen-Stuwe das Gesamtvolumen der Außenstände. Den Schwerpunkt der Außenstände machen mit rund 60 Prozent die Steuern und Abgaben aus, der Schwerpunkt liegt hier bei der Gewerbesteuer mit rd. 51 Prozent des städtischen Forderungsvolumens.
Rund 16 Prozent der Außenstände werden im Bereich Jugend registriert, darunter 11,6 Prozent bei den Unterhaltszahlungen. Etwa zehn Prozent fallen im Bereich „Soziales“ an. Insgesamt bestehen zurzeit 74.500 offene Forderungen.
„Wir haben das sehr vielschichtige und umfassende Themenfeld systematisch aufgearbeitet und neben den bereits umgesetzten Schritten weitere Maßnahmen entwickelt, die nun in den Fachbereichen sukzessive umgesetzt werden“, betont Stadtkämmerer Bernd Kuckels mit Blick auf neue, verwaltungsintern abgestimmte und technikunterstützte Verfahren, die zu einer schnelleren Abwicklung des Prozesses vom Zeitpunkt der Bescheid- und Rechnungserstellung über die Stammdatenpflege bis zum optimierten Mahnwesen und zur Vollstreckung führen sollen.
Eines wurde aus dem Projektbericht auch deutlich: Schuldner haben in der Regel nicht nur die Stadt als Gläubiger. Fast immer ist das Finanzamt „schneller“, so dass die Forderungen der Stadt meist erst an nachrangiger Stelle stehen.
Da helfen auch die angestrebten „kürzeren Laufzeiten“ innerhalb der Verwaltung nichts.
Wenn der Vortrag von Jutta von Gehlen-Stuwe (dem Projektumfang geschuldet) auch recht lang geraten war, zeigte er doch, dass es in der Stadt auch MitarbeiterInnen gibt, die sehr komplexe Projekte stringent managen können:
TIPP: Klicken Sie unterhalb des Bildes auf dieses Icon, um die Slideshow im Vollbildmodus anzusehen
Das Projekt macht eines deutlich: Ganz offensichtlich liegen die Schwachstellen zu einem großen Teil (fast ausschließlich?) in den verwaltungsinternen Prozessabläufen.
Das ist grundsätzlich nichts Neues, denn daran scheiterten bekannterweise bislang Verbesserungen des „Bürgerservices“ und die Entwicklung eines Raumkonzeptes.
Daher ist es nun an den politischen Vertretern, beispielsweise durch das Rechnungsprüfungsamt sicherzustellen, dass durch einen halbjährlichen Bericht der Umsetzungserfolg von „FoMa“ nachgewiesen wird.
Denn: Das Projekt und seine Ergebnisse ist das Eine, die Umsetzung in der „Linienorganisation“ das Andere!
2.
Rettisch schrieb am 3.07.2011 um 21:43 Uhr:
Muss man erst wegfahren oder kann man auch gleich den Reifen wechseln? Wäre einfacher.
52 Millionen verteilt auf 74.500 Fälle? Das wären aber viele Autos ….. Hoffentlich wissen die von der Stadt wo die alle stehen!
1.
Kerstin Königs schrieb am 3.07.2011 um 19:45 Uhr:
Wie kann es sich eine HSK-Stadt erlauben Aussenstände in einer solchen Höhe “zusammenkommen” zu lassen. Auch wenn diese “nur” 5,1% der eingebuchten Forderungen ausmachen. In Prozenten ausgedrückt nicht viel.
Als Summe: EURO 52,2 Millionen, klingt das schon ganz anders. Das ist ein ordentlicher Batzen.
Da in dieser Zeitung schon häufiger die Brunnen und die Pflege des städtischen Grüns bemüht wurden, schließe ich mich an und behaupte, dass wir uns dafür, unter anderem, sehr viel davon erlauben könnten.
Wie ich der örtlichen Presse entnommen habe, wird bereits seit 2008 (!) an der Umsetzung des “FoMa” gearbeitet. Kann sich unsere Stadt eine solche Bearbeitungszeit von immerhin DREI Jahren erlauben?
Und was war vorher? Vor 2008. Nicht umsonst wurde offensichtlich das Forderungsmanagment nötig.
Wie alt sind diese Aussenstände überhaupt? Je nach Alter kann man die dann (vermutlich) wirklich direkt abschreiben. Säumige Unterhaltszahler (Väter z.B.) sind evtl. schon auf Nimmerwiedersehen abgetaucht.
In der genannten Summe sind sicher auch Gebühren und Verzugszinsen (oder Säumniszuschläge) enthalten. Muss die Forderung als uneinbringlich abgeschrieben werden, hat man sich damit lediglich rechnerisch die Aussenstände “hochgerechnet”.
Damit meine ich selbstverständlich nicht, dass solche Kosten nicht in Anrechnung gebracht werden sollen. Es wäre aber mal interessant zu erfahren, wie hoch die Aussenstände sozusagen “netto” (ohne Gebühren und Verzugszinsen) sind.
Dass das Finanzamt fast immer “schneller” ist, stimmt so nicht. Im Insolvenz-/Konkursfall ja. Ansonsten nicht.
Aber auch im Insolvenz-/Konkursfall braucht sich das Finanzamt überhaupt nicht zu beeilen.
Es ist immer vor allen anderen Gläubigern, nach Aus- und Absonderung, Massekosten und Masseschulden, automatisch bei den “bevorrechtigten Forderungen” dabei. Erst dann kommen alle anderen.
Selbstverständlich helfen “kürzere Laufzeiten” innerhalb der Verwaltung! Was ist das denn für eine seltsame Meinung?
Je schneller ein Rückstand systematisch bearbeitet wird, desto größer die Aussicht auf Erfolg.
Schon beim ersten Rückstand muss man hellhörig werden. Kommt eine weitere Forderung dazu, sofort aktiv werden. So funktioniert das in der freien Wirtschaft.
Zwischen dem ersten Rückstand und einem Konkurs, der dann meist mit “ausser Spesen, nichts gewesen” endet, vergeht einige Zeit. Dazwischen kann einiges zur Beitreibung getan werden – auch und gerade bei säumigen Unterhaltszahlungen. Auch ein Konkurs fällt (meist) nicht mal eben einfach so vom Himmel.
Wie wäre es mit einem Seminar “Insolvenzfrüherkennung”? Dabei wird (fast immer) auch vermittelt, wie man “am Ball” bleibt (z.B. bei Wohnort- und Arbeitgeberwechsel).
Einen einzigen Bonus könnte man der Stadtverwaltung gewähren: die Tatsache der Personalknappheit. Dann kommt etwas anderes ins Spiel.
Dann muss unser Kämmerer eben zusehen, wie er das Personal einsetzt und in diesem Bereich aufrüsten. Das ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung.
Wenn es am knappen Personal liegen sollte, fällt einem sofort wieder ein, dass unser OB, so wird gemunkelt, sogar einen Redenschreiber bekommen haben soll. In seinem Umfeld soll es genügend (hochdotiertes?) Personal geben, das ihm zuarbeitet. Zum Schnäppchenpreis sind solche Leute sicher nicht zu haben. Mindestens das steht fest.
Dann muss man eben mal überlegen, wie ein hochdotierter Mitarbeiter eingespart wird, für den man sich dann nahezu zwei Normalverdiener, vielleicht auch nur 1,5, für’s FoMa leisten könnte.