Giesenkirchen 2015: Eindrucksvolle Rede von Klaus Dumke vor dem Mönchengladbacher Rat
Hauptredaktion [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Rhetorisch und inhaltlich eine eindrucksvolle Rede hielt Klaus Dumke, einer der Sprecher der Bürgerinitiative gegen „Giesenkirchen 2015“, am gestrigen Nachmittag (04.02.2009) im Rheydter Ratssaal. Ohne Polemik und dennoch akzentuiert stellte Dumke die Argumente der Giesenkirchener vor und erläuterte ihre Beweggründe für diesen Widerstand. Das hielt die CDU-Fraktion nicht davon ab, auf ihrem Standpunkt zu verharren. Gleichwohl war schon im Vorfeld klar, dass sie sich nicht duchsetzen würde. Das hatte die FDP durch ihre offene Zustimmung zum Bürgerbegehren verhindert. Damit hatte die FDP auch die erwartete geheime Abstimmung verhindert und damit der CDU insofern auch einen Dienst erwiesen: Denn die konnte nicht sicher sein, dass wirklich alle CDU-Ratsvertreter das Bürgerbegehren ablehnen würden.
Hier die Rede von Klaus Dumke im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich im Namen der Giesenkirchener Bürgerinitiative gegen das Projekt „Giesenkirchen 2015″, dass Sie uns die Möglichkeit geben, unser Anliegen vor dem Rat der Stadt Mönchengladbach vortragen zu dürfen.
Ich stehe heute hier, stellvertretend vor allem für viele betroffene Anlieger, die dem Gesamtprojekt ablehnend gegenüber stehen. Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine Handvoll Querulanten, die mit aller Gewalt versuchen, eine neue Sportanlage zu verhindern, sondern um mündige Bürger, die die Unverhältnismäßigkeit dieses Projektes nicht akzeptieren.
Natürlich wollen auch wir, dass den Sportlern funktionstüchtige Sportanlagen zur Verfügung stehen. Wir wollen aber auch, dass vorhandene Strukturen erhalten bleiben und dass der Stadtbezirk, ich zitiere Herrn Boss aus seinem Wahlkampf-Flyer von 2004: „lebens- und liebenswert bleibt“.
Warum lehnen wir das Projekt „Giesenkirchen 2015″ ab?
Die CDU hat die Bürgerinnen und Bürger mit einer „im stillen Kämmerlein“ ausgearbeiteten Planung überrollt. Ohne im Vorfeld mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, holte man sich die Vorstände der Fußballvereine ins Boot, die in Erwartung einer neuen Sportanlage auch hocherfreut waren und das Projekt entsprechend unterstützten.
Erst sehr spät hat man den Anliegern das komplette Ausmaß des Projektes präsentiert. Gezeigt wurden sehr detailliert ausgearbeitete Pläne und eine bunte Flugsimulation über eine neue Sportanlage. Aber Diskussionen über die vorgestellte Planung oder über mögliche Alternativen wurden nicht zugelassen.
Details zum Projekthintergrund sind bis heute nicht zu erfahren, weder über die Grundlagen der Kostenermittlung, noch darüber, wer die Planung veranlasst und bezahlt hat.
Konkrete Nachfragen von besorgten Anliegern wurden ausweichend oder mit dem Hinweis, dass es sich „hier nur um eine grobe Vorplanung“ handele, gar nicht beantwortet.
Die Aussagen über die Sanierungsbedürftigkeit der vorhandenen Sportanlagen sind bis heute widersprüchlich. Die Fragestellung, was man in den letzten Jahren gemacht hat, um die Anlagen in Schuss zu halten, ist unbeantwortet.
Bereits vor dem Ratsbeschluss am 24.September 2008 gab es eine erste spontane Unterschriftensammlung gegen das Projekt, an der sich ca. 3.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligten. Dieser erste deutliche Protest wurde allerdings bei der Beschlussfassung im Rat ignoriert.
Die Bürgerinnen und Bürger von Mönchengladbach haben aber entschieden, dass dieser Beschluss so nicht akzeptiert werden kann!
Dieses Votum gibt mir jetzt die Möglichkeit, die nach wie vor unbeantworteten Fragen der Bürgerschaft an dieser Stelle noch einmal zu stellen:
Warum verschweigen Sie, dass mit der geplanten neuen Sportanlage kein adäquater Ersatz zu den vorhandenen Sportplatzkapazitäten geschaffen wird?
Geplant sind zwei neue Sportplätze, heute gibt es aber vier Sportfelder sowie eine 400m-Laufbahn, die komplett entfällt.
Den Schulen soll zugemutet werden, für die Nutzung der neuen Sportanlage zukünftig einen Fußweg von mindestens 2 x 20 Minuten in Kauf zu nehmen. Zeit, die dem Unterricht fehlt. Vermutlich wird man dann auf Außensport eher verzichten.
Warum wird so getan, als ob die Fußballvereine uneingeschränkt hinter dem Projekt stünden? Es werden immer die Vorstände zitiert, tatsächlich haben sich ganze Mannschaften am Protest gegen das Projekt beteiligt.
Warum tun Sie so, als gäbe es keine Alternative zum neuen Standort der Sportanlage bzw. zum vorliegenden Gesamtkonzept und ziehen nicht in betracht, dass man die Anlage in Puffkohlen sanieren kann?
Dies könnte beispielsweise durch eine dem Bedarf angemessene Bebauung gegenfinanziert werden und es müssten keine neuen Betroffenheiten im Stadtbezirk erzeugt werden. Gleichzeitig wäre zu überprüfen, ob Ihnen die zu erwartenden Mittel aus dem Konjunkturpaket II nicht sogar einen ganz neuen finanziellen Spielraum bieten, um sinnvolle Investitionen im Stadtbezirk umzusetzen?
Es sollen zusätzlich 130 Häuser gebaut werden, um eine Sportanlage finanzieren zu können. Warum legen Sie keine Bedarfsanalyse vor, als Begründung dafür, weitere Wohnbebauungsflächen in Giesenkirchen ausweisen zu müssen, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Baugebieten Merkamper Scholle, Biesel, Ahrener Feld und Konstantinstraße?
Die CDU sagt, man muss ein Angebot schaffen, um Familien in den Stadtbezirk zu holen. Man kann aber keine Häuser „auf Halde“ produzieren.
Die Einwohnerzahlen in Giesenkirchen bleiben mehr als stabil, wenn die aktuellen Baugebiete ausgelastet werden und die zum Verkauf stehenden, gebrauchten Immobilien verkauft werden.
Die CDU redet davon, die Attraktivität des Stadtbezirks als Wohnort steigern zu wollen. Gleichzeitig sollen aber auch die Innenstädte gestärkt werden. Wo leben diese Menschen heute, die offensichtlich nur darauf warten, endlich in Giesenkirchen Neubauten beziehen zu können? Doch nicht etwa in der Innenstadt?
Es wird wohl schwer möglich sein, Menschen aus Nachbargemeinden zu gewinnen, die hier weder Arbeit finden noch bereit sein dürften, im Vergleich deutlich höhere Abgaben zu zahlen.
Haben Sie vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise eigentlich schon überprüft, ob die Zahlen, die Sie als Kostenermittlung für das Projekt vorgelegt haben, überhaupt noch haltbar sind? Genau vor dem Hintergrund des finanziellen Risikos durch die aktuelle Krise haben bereits mögliche Investoren für die Bebauung der Fläche des ehemaligen Zentralbades abgewunken.
Wer finanziert Ihnen heute noch ein Projekt, für das Sie keinen Bedarf nachweisen können?
Warum spricht man mit den Anwohnern nicht über die Auswirkungen möglicher neuer Baugebiete, z.B. durch die Mehrbelastung der vorhandenen Kanalisation oder die Zunahme des Fahrzeugverkehrs?
Vermutlich hat man entsprechende Berechnungen noch gar nicht durchgeführt, so dass irgendwann in der Projektrealisierungsphase noch mal nachgelegt werden muss.
Warum sagt man den Anwohnern nicht, wer die Kosten der Erschließungen zu tragen haben wird und wie sich Neubebauung auf den Wertverfall vorhandener Immobilien auswirken wird?
Warum plant man ernsthaft und in erheblichem Maße, vorhandene Grünflächen aufzugeben und zu versiegeln, nimmt der Schule und nicht im Verein spielenden Kindern am Asternweg eine frei zugängliche Grünfläche und nutzt im Bereich des ehemaligen Freibades nicht die einmalige Chance, den Menschen eine zusätzliche Naherholungsmöglichkeit anzubieten?
Im Familienbericht der Stadt steht zu lesen:Â „Bis heute liegt die Flächenversiegelung (in MG) über dem Durchschnitt des Landes Nordrhein-Westfalen. Diese Entwicklung verursachte u. a. eine deutliche Reduzierung des Freiraums, eine Verinselung von Biotopen, einen Verlust von Boden und – als Folge der vielfältigen Gestaltung der Baukörper – die deutliche Veränderung des Oberflächenreliefs. (…) Eine wichtige Folge dieser Entwicklung ist, dass viele Familien den Kontakt zur Natur verloren haben und gerade Kinder naturfern aufwachsen.“
Wir wollen Sie ermahnen, die unnötige Bebauung und weitere Versiegelung von vorhandenen Grünflächen zu vermeiden!
Und wir fordern von Herrn Boss als Bezirksvorsteher von Giesenkirchen, sein Versprechen aus dem letzten Wahlkampf einzuhalten, nämlich „vernünftige, mit den Bürgerinnen und Bürgern abgestimmte Bebauungspläne“ umsetzen zu wollen. Noch besteht die Möglichkeit zur Korrektur.
Die CDU spricht davon, dass Gemeinwohl über privaten Interessen stehen muss.
Unter Gemeinwohl versteht man bekanntlich den Nutzen bzw. das Wohlergehen einer Gesellschaft. Das Konzept des Gemeinwohls geht aber davon aus, dass eine Politik, die Gewinn für alle und keine Verlierer bedeutet, möglich ist.Â
Haben wir diese Politik in Mönchengladbach? Geht es beim Projekt „Giesenkirchen 2015″ tatsächlich um Gemeinwohl oder um die wirtschaftlichen Interessen einer Gruppe von „Projekterfindern“, die sich den Kuchen schon im Vorfeld aufgeteilt haben?
Warum wählen Sie beispielsweise nicht freiwillig den Weg einer öffentlichen Ausschreibung, um die maximale Transparenz sicher zu stellen, sich von vornherein nicht angreifbar zu machen und zum anderen den für die Stadt größtmöglichen finanziellen Gewinn zu erzielen?
Stattdessen reden Sie nicht ohne Stolz von einem Inhouse-Geschäft, bei dem aber der Wettbewerb außen vor und das Risiko letztendlich beim Steuerzahler bleibt. Es kommt bei den Menschen nicht gut an, dass die Personen, die nachher vom Projekt profitieren, bereits im Rat darüber abstimmen dürfen.
Das Projekt „Giesenkirchen 2015″ ist kein attraktives Produkt, sondern bei näherem Hinsehen eine Mogelpackung.
Im Koalitionspapier von CDU und FDP steht, dass die Bürger frühzeitig an Planungen zu beteiligen sind. Das haben Sie bei „Giesenkirchen 2015″ definitiv nicht gemacht.
Wir sehen in diesem Projekt keine Vorteile; weder für die Bürger, noch für die Sportler, für Giesenkirchen oder für Mönchengladbach. Dieses Projekt ist nicht durchdacht, es hat offensichtliche, handwerkliche Fehler, es ignoriert die Bürgerinteressen und spaltet den Stadtbezirk.
Die Zahlen und Fakten, die vorgelegt wurden, sind spärlich und nicht nachvollziehbar.
Wir wollen nicht, dass in diesem erheblichen und ungesunden Ausmaß in die Bebauungsstruktur des Stadtbezirkes eingegriffen wird und die Anwohner über Jahre mit Bautätigkeiten belastet werden. Wir wollen nicht, dass Grünanlagen ohne Grund zerstört und unnötig Boden versiegelt wird.
Wir sehen das finanzielle Risiko beim Steuerzahler und wollen nicht für Maßnahmen zur Kasse gebeten werden, die man sich heute aus Prestigegründen meint, leisten zu müssen. Wir betroffene Anlieger sehen uns, neben den Sportlern, als eigentliche Verlierer dieses Projektes.
Aus diesen Gründen haben wir uns politisch engagiert und erfolgreich ein Bürgerbegehren gegen das Projekt „Giesenkirchen 2015″ durchgeführt.
Ãœber 15.000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt haben sich innerhalb von zwei Monaten aktiver Tätigkeit der Bürgerinitiative dem Bürgerbegehren angeschlossen und eine klare Meinung dazu geäußert; weit mehr, als laut Gemeindeordnung erforderlich waren. Spiegelt man diese Zahl an der Wahlbeteiligung in MG bei der letzten Kommunalwahl, entspräche dies ca. 16,3 % Wählerstimmen.
Diese 15.000 Bürgerinnen und Bürger waren übrigens sehr gut informiert und haben nicht, wie Herr Post in Frage stellt, mal schnell etwas unterschrieben.
Wir haben nämlich die Möglichkeit genutzt, mit den Menschen auf der Straße zu diskutieren und viele davon nutzten spontan die Gelegenheit, ihren Unmut auch über andere, nicht nachvollziehbare Entscheidungen der Politik in Mönchengladbach und das bürgerferne Verhalten der Politiker zu äußern.
Wir haben in vielen Stadtteilen gesammelt und Sätze wie „die machen doch sowieso was sie wollen“ oder die Begriffe „Gutsherrenpolitik“, „Klüngelei“ bzw. „Vetternwirtschaft“ haben wir viel zu oft hören müssen.
Das Bürgerbegehren erfüllt alle rechtlichen Voraussetzungen. Von den  überprüften 9.086 Unterschriften waren lediglich 501 ungültig, somit ergeben sich also 94,4% gültige Stimmen. Man hat uns bereits von vielen Seiten für unser Engagement gelobt und uns zu unserem Etappensieg gratuliert. Und der Begriff der Demokratie ist im Moment auffallend oft und lautstark zu hören.
Die Durchführung eines Bürgerbegehrens ist angewandte Demokratie. Aber ist es auch demokratisch, Geschäfte aufzufordern, eine Unterschriftenaktion zu boykottieren oder Unterschriftenlisten verschwinden zu lassen? Ist es demokratisch, dass Mitarbeiter der Stadtverwaltung Sorge vor beruflichen Konsequenzen haben, wenn sie sich an einer Unterschriftenaktion beteiligen? Ist es demokratisch, den Bruch einer Koalition anzudrohen, wenn man nicht im erwarteten Sinne abstimmt?
Im Moment wird von Seiten der CDU gerne so getan, als sei der Bürgerentscheid die einzig logische Konsequenz. Man stellt das Bürgervotum in Frage. Man will ihm nicht nachgeben und vom Projekt nicht abrücken. Das mag aus Sicht der CDU vielleicht konsequent sein. Sie vertun aber gleichzeitig eine Chance auf Korrektur.
Ein Bürgerentscheid wird die Stadt ca. 341.000 € kosten. Es mag sein, dass Demokratie Geld kostet, aber dies sind 341.000 €, die die Stadt nicht hat und die Sie den Bürgern dieser Stadt zu erklären hätten. Alleine die Aussage, dass in dieser Stadt schon für Schlimmeres Geld ausgegeben wurde, reicht hier nicht.
Herr Dr. Jansen- Winkeln sagt: „Jetzt muss noch mal bei Null angefangen werden.“ Dies sehen wir genauso. Geben Sie den Bürgern, den Sportlern und Ihnen selbst die Chance, mit einer neuen Planung, die allen Bedürfnisse gerecht wird, bei Null anzufangen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Projekt „Giesenkirchen 2015″ ist kein attraktives Produkt, sondern eine Mogelpackung. Es darf nicht umgesetzt werden, da es nicht dem Bürgerwillen entspricht.
Ich möchte Sie daher, vor allem im Namen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger aus Giesenkirchen, auffordern, sich bei der erneuten Abstimmung auch selber zu hinterfragen und neben Ihrer Ehre und Verantwortung als Politiker nicht Ihren persönlichen Standpunkt als Bürger dieser Stadt außer Acht zu lassen!
So wie es Ihnen 15.076 Mönchengladbacher Bürgerinnen und Bürger bereits vorgemacht haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“