Festliche Operngala (con sordino)
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
War es wirklich eine festliche Operngala? Das festlich gekleidete und –gestimmte Publikum zeigte sich ausgesprochen beifallsfreudig, obwohl nur wenige Leistungen galawürdig waren!
Um nicht ungerecht zu sein: Auf meinem Platz, 17.Reihe, Nr. 14 hörte ich den ganzen 1. Teil wie durch einen dicken Vorhang. War die diskrete Verstärkung defekt oder nicht richtig eingestellt?
Hierüber war beim Hinausgehen in die Pause ziemlicher Unmut zu vernehmen. Nach der Pause klang es dann anders.
So klang Glinkas Ouvertüre zu Ruslan & Ludmilla, die Graham Jackson dirigierte, matt und glanzlos. Es folgte aus Puccinis Le Villi der Chor der Landleute, präzis und klangschön unter der Leitung Graham Jacksons dargebracht.
Janet Bartolova sang aus Rossinis Elisabetta, Regina d` Inghilterra die große Arie der Elisabetta mit Chor. Aus dieser Arie sind übrigens bei der Aria der Rosina aus dem Barbier von Sevilla „Una voce poco fa“, deutliche Anleihen durch Rossini gemacht worden! Frau Bartolova ist eine sehr schöne Frau, hat eigentlich eine sehr schöne Stimme, wie man von Aufführungen der Traviata weiß.
Ich habe selten von einer Sängerin den Anfang der großen Butterfly-Arie so schön gehört wie von Frau Bartolova!
Leider hörte man hier, zumal in der Passagio (Bruchlage) ein zu großes Vibrato. Es ist leider anzunehmen, daß dies durch Überbeanspruchung der Stimme durch unverantwortliche Besetzungspolitik der abgelösten Intendanz (Wer ist für so etwas verantwortlich?) entstand.
Sie hat eine ausgesprochen lyrische Stimme, wurde aber hier in Spinto-Partien wie Aida und Tosca eingesetzt, selbst die Mezzopartie der Eboli in Verdis Don Carlos mutete man ihr zu. Das ist Stimmenmord!
Bleibt die Hoffnung, daß unsere neue Intendanz solche Fehler nicht macht. Im Übrigen sang Frau Bartolova wie immer äusserst musikalisch. Kenneth Durya begleitete aufmerksam mit Chor und Orchester.
Sodann erschien Michael Kupfer mit dem Prolog aus Leoncavallos Bajazzo. Ein wunderbarer Sänger, der endlose Phrasen sang. Auch hier war Durya ein gewissenhafter Begleiter.
Der neuverpflichtete Bariton Igor Gavrilov stellte sich mit dem Auftrittslied des Toreadors Escamillo aus Bizets Carmen vor Er verfügt über eine sehr angenehme Stimme, war hier aber nicht richtig besetzt.
Ärgerlich übrigens der Abschluß der Arie! Obwohl doch die hierzu nötigen 3 Damen zur Verfügung standen, wurde der Schluß der Arie verkürzt . Wunschkonzert für Arme?
So ging es dann weiter.
Die Damen Isabelle Razawi und Susanne Seefing versuchten sich, am Pult der neu verpflichtete 2. Kapellmeister Andreas Fellner, am Duett Frau Fluth – Frau Reich aus Otto Nicolais Lustigen Weibern von Windsor.
Leider hoben sich die Stimmen der beiden Damen kaum von einander ab. Haben wir an unserem Haus keinen Alt zur Verfügung für die Partie der Frau Reich? Es gab etliche Wackler und sogar Ausstiege, z.B bei den geöffneten, noch nie gehörten Strichen zum Schluß des Duetts. Das war bestimmt nicht „Gala“.
Den Abschluß des ersten Teils bildete die Krönungsscene aus Boris Godunow von Modest Mussorgsky. Besonders dieses Stück litt unter der schlechten Akustik. Der hier doch eigentlich dominierende Chor bemühte sich sichtlich, war aber nicht gut zu vernehmen. Hayk Deinyan sang klangschön und intensiv die kurzen Einwürfe des Boris. Es dirigierte GMD Graham Jackson.
Und dann wurde es ganz anders.
Mit einer veränderten Akustik konnte Dara Hobbs die Hallenarie, von Jackson einfühlsam begleitet, herausjubeln. Das “Dich teure Halle grüß ich wieder“ in diesem Raum war ihr doch hoffentlich nicht ernst gemeint!
Wieder eine Überraschung . EinTenor!
Der noch junge Tenor Daniel Kirch, wiederum vom GMD begleitet, bezauberte durch einen lyrisch gesungenen Liebesgesang aus der Walküre von Wagner. Winterstürme wichen dem Wonnemond. Wenn es so schön gesungen wird, könnte Wotan ein Einsehen haben.
Von Wagner ging es nun zu Verdis Trovatore. Janet Bartolova und Igor Gravilov sangen, assistiert wieder von Kenneth Durya das große Duett Leonora – Graf LUNA. Es konnte mich nicht vom Hocker reißen.
Es ging weiter zu Frankreichs Komponisten.
Debra Hays sang die sogenannte Juwelenarie aus der Faustoper Margarethe von Charles Gounod.
Obwohl Gounod diese Arie für einen lyrischen Sopran geschrieben hat, konnte Frau Hays durch lebhafte Gestaltung, sehr gute Aussprache und leuchtende Höhen das Publikum begeistern.
Und jetzt kam der erste wirkliche Knaller des Abends. Der stürmisch vom Publikum nach seiner langen Erkrankung begrüßte Tenor Kairschan Scholdybajew sang zusammen mit Michael Kupfer das Freundesduett aus Bizets Perlenfischern.
Das unter Durya einfach phänomenal aufspielende Orchester legte den beiden Sänger einen Klangteppich zu Füßen, auf dem sie förmlich schwimmen konnten. Bis auf den Schlußton den Beide sehr partiturungerecht viel zu lange hielten, war es schlichtweg wunderbar.
Hier stellt sich dem Kritiker natürlich wieder einmal die Frage, warum diese melodienselige Oper, die herrliche Arien, wunderbare Chöre beinhaltet, nicht einmal hier aufgeführt wird. In den Niederlanden hat man sie in den letzten Jahren des öfteren in sehr schönen Aufführungen gehört.
In Mönchengladbach hörte man sie bestimmt 60 Jahre nicht.
Es folgte dann das Couplet der Fiorilla aus Offenbachs Banditen, schwungvoll von Frau Gabriela Kuhn, schwungvoll vom Orchester unter Andreas Fellner, dessen musikalisches Dirigat mir sehr gut gefiel, dargeboten.
Dann der Höhepunkt des Abends.
Das Duett Marietta – Paul aus Korngolds Oper “ Die tote Stadt“ wurde von Dara Hobbs und Daniel Kirch gesungen.
Wie wunderschön stimmte Frau Hobbs an :„Glück, das mir verblieb“, mit einem traumhaften hohen „B“ im Piano angesetzt in einem wunderbaren Glockenton. Daniel Kirch stand ihr nichts nach. Da das Orchester, wieder unter Kenneth Durya die schönsten Klangfarben hinzufügte, wurde dieser Schlager zu einer echten Kostbarkeit.
Der offizielle Teil des Abends wurde beschlossen durch zwei Ausschnitte aus den Lustigen Weibern.
Thema hier: Der Schwank hat ein Ende.
Das von Operndirektor Andreas Wendholz sehr gut zusammengestellte Programm entzückte das Publikum sehr.
Intendant Michael Grosse führte charmant durch den Abend.
Dem immer wieder los prasselnden Applaus gehorchend, gab es einen schönen Abschluss mit dem Finale des 2.Aktes aus Offenbachs Pariser Leben. Hier versammelten sich alle Mitwirkenden.
Herausragend Michael Kupfer, stimmlich und darstellerisch überschäumend.
Zwar keine Gala, aber ein reizender Abend.
Herbert Rommerskirchen
2.
Mine schrieb am 24.09.2010 um 10:01 Uhr:
Was für eine mal völlig andere Theaterkritik – auch wenn ich nicht fachlich mithalten kann, kommen doch Stimmung, positive und negative Auffälligkeiten wunderbar rüber.
Spitzfindig, die „teure Halle“ – da kann man als normaler Theaterfreund nur lachen und weinen gleichzeitig. Die Politiker, die das entschieden haben, kennen wahrscheinlich nur ihr eigenen Polit-Inszenierungen.
Die Kaiser-Friedrich-Halle ist als Ballsaal brauchbar, aber nie mehr bezahl ich für diese schlechte Akustik eine Theater- oder Musikaufführung einer Wanderbühne. Ich frage mich immer, woher die Dummen kommen, die für so eine Sitzkarte immer wieder ihr Geld ausgeben.
Ich weiche lieber zu Nachbarstädten mit ordentlichen Räumen aus, bei der Sitzpositionen und Akustik stimmen – und freue mich auf die Neueröffnung unseres Opernhauses.
Hoffentlich kann man dann auch im neuen Opernhaus die Garderobe auf der Parterre abgeben. Die Treppenlauferei ist mit Gehstock in der Menge nicht so einfach.
1.
Jose schrieb am 22.09.2010 um 17:37 Uhr:
Vielen Dank für diese Kritik! Herrn Rommerskirchens Meinung zu den musikalischen Veranstaltungen in unserer Stadt zu lesen, ist immer wieder ein Genuss. Lebhaft geschildert. Man spürt seine Liebe zur Musik, die er mit Humor präsentiert.
Herrlich die Bemerkung: „Das “Dich teure Halle grüß ich wieder“ in diesem Raum war ihr doch hoffentlich nicht ernst gemeint!“
Das TIN ist einfach eine Zumutung für Künstler und Publikum. Warum wählte man als Ausweichquartier eigentlich nicht unsere „gute Stube“ die KFH? Wäre allemal beser gewesen als diese Kantine.
Gut, man hätte später keine Halle für „unsere Brauchtumsfreunde“, die Herren Thoren und Gothe nebst Anhang, gehabt – aber den Bürgern wären Kosten, immer wieder ausfallende Aufführungen (die auch noch richtig kosten!) und Künstlern als auch Publikum Frusterlebnisse dank mieser Akustik erspart worden.
Herrlich übrigens auch schon die Artikelüberschrift, die zeigt, dass hier jemand schreibt, der wirklich weiß, wovon er spricht. Herrlich, weil schon dort die Kritik beginnt. Hübsch verpackt. Con sordino = gedämpft. Klasse!