Perspektiven für Mönchenglad­bach – Teil I: Generelle Zukunftsvorstellungen [mit O-Ton]

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

Innenstadt-monchengladbach[03.08.2010] In Dresden galt es, die im Krieg vollkommen zerstörte Innenstadt wieder aufzubauen und das, was noch vorhanden war, weiterzuentwickeln. In Mönchengladbach hingegen gebe es eine Menge an baulicher Substanz und Inhalten, die es „zu ordnen“ gelte, meinte Wurff. In diesem Zusammenhang sei auch die Innenstadt Mönchengladbachs zu realistisch definieren.

Nachholbedarf sieht Wurff in der Wiederbelebung der kulturellen Potenziale und deren Kommunikation gegenüber Bürgern und Besuchern der Stadt.

Wurff stellte fest, dass Mönchengladbach nur wenige Alleinstellungsmerkmale habe. Es sei nicht klar, „wofür“ Mönchengladbach steht.

Das bedeute aber auch nicht diese zu entwickeln, um zu versuchen „in Konkurrenz“, beispielsweise zu Düsseldorf, treten zu wollen. Vielmehr seien Ergänzungsfunktionen zu entwickeln. Frage ist: Wie und wodurch positionieren wir uns im Konzert der Städte. Dies herauszuarbeiten ist ein wichtiger Punkt. Es ist die Frage zu stellen: Was wollen wir erreichen.

In nachstehendem Interviewteil [ca. 15 Min] hören Sie, welche Zukunftsvorstellungen Andreas Wurff für Mönchengladbach u.a. zu diesen Themenkomplexen hat:

  • Masterplan für den Kern, also die Innenstadt von Mönchengladbach, wobei Wurff als Innenstadt den gesamten Bereich von der Stadthalle Rheydt bis zur Kaiser-Friedrich-Halle sieht
  • Bedeutung von Grün für das Leben in der Stadt, für das städtische Klima und die Aufenthaltsqualität
  • Berücksichtigung von Überlegungen aus dem Leitbild „Mönchengladbach 2030“ aus 2008
  • Bedeutung der Hochschule für die Entwicklung Mönchengladbachs und Chancen durch die stärkere Einbindung der Studenten
  • Chancen für Rheydt durch das aktive Einbeziehen von Hochschule und Studentenschaft auf eine Art und Weise, dass nicht zwangsläufig eine „Konkurrenzsituation“ zu Mönchengladbachs Stadtmitte entsteht.
[audio:10-07-22-interview-wurff-01.mp3]

Hier dieser Interviewteil zum Nachlesen:

BZMG: Worin liegen Unterschiede zu Ihren bisherigen Aufgaben, beispielsweise in Dresden?

Andreas Wurff: In Dresden lagen die Aufgaben darin, eine Innenstadt, die im Krieg verloren gegangen ist, wieder zu schaffen. Das war natürlich nicht die einzige Aufgabe, aber einer der wesentlichen Schwerpunkte.

Der Unterschied zu Mönchengladbach ist der, dass wir zwar eine Menge an baulicher Substanz haben, auch eine Menge an Inhalten, dass diese Inhalte aber geordnet werden müssen. D.h. in dem einen Fall galt es etwas neu zu schaffen, wobei der Rahmen eigentlich völlig klar war: eine Innenstadt völlig verloren, jetzt mit den Inhalten, den funktionalen Inhalten zu realisieren, was die Funktion eines Oberzentrums anbelangt.

Kultur, Dienstleistung, Einzelhandel, natürlich auch Wohnen in der Innenstadt, ganz wichtig. Das sind die Punkte gewesen. Das kulturhistorische Zentrum in Dresden bestand ja schon. Dieses auch, ich sage mal, weiter zu entwickeln und für Dresden noch mehr zu einer Adresse zu machen, war eine Aufgabe.

Das Thema Kultur haben wir in Mönchengladbach natürlich genauso, nur ist es im Bewusstsein der Bevölkerung ein Stück verloren gegangen und sicherlich auch in dem Bewusstsein der hier, ja, anreisenden Touristen wollte ich sagen, aber Touristen haben wir kaum. Aber es gibt doch viele, die sich tagsüber in Gladbach aufhalten.

Ob sie jetzt hier arbeiten oder sie hier einkaufen gehen. Sie nehmen das Thema „Kultur“ eigentlich gar nicht wahr, sie nehmen auch die Möglichkeiten nicht mit,  die vorhanden sind. Da gibt es Vieles, was quasi wieder in das Bewusstsein gehoben werden muss Daraus kann Mönchengladbach eine Adresse machen.

Ich glaube, es ist vielen bis heute nicht klar, wofür Gladbach eigentlich steht.

Alleinstellungsmerkmale haben wir wenige. Es ist dann die Frage: Wie positionieren wir uns im Konzert der Städte, um so ein Oberzentrum wie Düsseldorf herum. Man kann sich nicht in Konkurrenz zu dieser Metropole sich verhalten.

Aber man kann mit Sicherheit ergänzende Funktionen wahrnehmen. Man kann aber auch besondere Funktionen, gerade im Umfeld dieser Metropole wahrnehmen. Aber, da muss man auch fragen: Ja, was ist es denn nun? Das herauszuarbeiten ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.

Das wollen wir tun, mit Hilfe der, ja ich wollte schon sagen, dieser wunderbaren Initiative, dieses bürgerschaftlichen Engagements Masterplan für diese Stadt. Diese Masterplan-Initiative halte ich für eine ganz, ganz wichtige.

Die Stadt selber hat nicht das Geld einen solchen Masterplan zu entwickeln. Und mit diesem Masterplan kommt ja diese Leitbildentwicklung, die Frage eben, wofür steht Gladbach, wieder auf und bedarf einer Beantwortung.

Ich glaube auch aus der Analyse der Potenziale, die Gladbach ja hat, lässt sich herausarbeiten, was wir künftig als prioritäre Aufgaben, auch als Verwaltung, als prioritäre Aufgaben in dieser Stadt wahrzunehmen haben.

Wir haben nicht die Chance überall im gleichen Maß aktiv zu sein. Das müssen wir auch gar nicht. Es gibt viele Dinge, die entwickeln sich durchaus positiv aus sich heraus.

Aber es gibt viele Punkte, wo wir ganz gezielt Hand anlegen müssen. Das ist die Innestadt, die sich durchaus positiv entwickelt. Und wenn ich so die Prognosen, Bevölkerungsprognosen, Haushaltsprognose, Altersstrukturaufbau, alles das, was wir unter Demografie subsumieren, wenn ich mir das anschaue, da gibt es zwei Entwicklungen.

Man mag zwar die eine oder andere kritisch sehen, aber im Grunde genommen ist es eine positive Entwicklung, nämlich jene, die die Botschaft beinhaltet: der Kern bleibt stabil und der Rand schrumpft.

Für den Rand ist das vielleicht nicht besonders positiv. Aber die Botschaft, dass der Kern stabil bleibt, damit meine ich Mönchengladbach, Rheydt und auch den Bereich Volksgarten, das ist die klassische Mitte. Dass wir uns hier vom Altersaufbau her weniger Sorgen machen müssen, liegt auch an den Studenten, klar.

Das ist ein Thema. Hier müssen wir aktiver sein. Diesen Trend müssen wir unterstützen, indem wir die Stadt, die Innenstadt attraktiver gestalten. Das ist, glaube ich, eine Chance. Diese Chance, das ist mein Eindruck, wurde durch die Bevölkerung erkannt. Sie lässt sich dort nieder, Während sie in Randbereichen wie Hardt, Neuwerk oder Giesenkirchen etwas schrumpft.

Das ist jetzt nicht wirklich überraschend. Ist aber im Grunde genommen eigentlich der Beweis für die These, dass das Thema: „Zurück in die Stadt“, tatsächlich von der Bevölkerung gelebt wird.

Das ist nichts, was von außen aufgesetzt wird: Neues Ziel, tolle Idee. Diese Idee wird tatsächlich gelebt und ich denke, das ist etwas ganz Wichtiges, ja, wenn man so sagen darf, ein klein wenig überraschend, dass uns da die Bevölkerung schon vorweg eilt.

Das ist es, was wir befördern wollen. Die Idee leben wollen, auch als Verwaltung. Aber tatsächlich macht es uns die Bevölkerung schon vor. Das heißt, da laufen wir ein Stückchen hinterher. Das müssen wir auch tun.

Es gibt viele Wohnquartiere, die wir in der Innenstadt unterstützen müssen, indem wir die Umfeldqualität deutlich erhöhen.

Da existiert eine Idee eines 1000-Bäume-Programmes. Letzen Endes will diese Idee nur sagen: wir wollen diese öffentlichen Räume die es in der Stadt gibt, die zum Teil auch wirklich unwirtlich sind, ansprechend gestalten. Die Wohnquartiere, die sich im Moment eher negativ als positiv präsentieren, die  wollen wir in der Qualität heben.

Wir wollen selbstverständlich auch die vorhandenen Plätze, die Grünräume entwickeln.

Selbst der Adenauer-Platz, mitten in der Stadt gelegen, ist nicht unbedingt einer, der zum Verweilen wirklich einlädt. Es ist ein Grünraum. Natürlich. Aber er bedarf sicher einer Neustrukturierung, einfach einer Attraktivierung, Verbesserung.

Ein Vorteil ist, dass man diese Grünräume überhaupt hat. In anderen Bereichen gibt es keinen Baum. Es gibt, Straßenzüge, da sehen sie nicht einen einzigen Baum, und ich glaube, da muss man bei den Innenstadtlagen deutlich nachbessern.  Es geht nicht nur um die Ästhetik, ja, um die geht es auch. Es geht auch um ökologische Funktionen.

Es geht um das Thema „Wärmeinsel Stadt“. Wir konnten in den letzten Wochen tatsächlich spüren und erleben, wie sich die Stadt aufheizt. Um hier ein Gegengewicht zu schaffen, geht es darum, mehr Grün in die Stadt zu bringen. .

Wir haben Messungen, dass in Bereichen, z.B. um  den Adenauer-Park, die Temperatur mehrere Grade unter dem anderer Stadtbereiche liegt. Grün wirkt tatsächlich etwas klima-ausgleichend, und da ist man natürlich auch gleich bei dem Thema Lufthygiene, Feinstaubbelastung, auch da wirkt Grün entsprechend positiv. Es gibt viele Gründe dafür, man muss nicht nur die ästhetischen und die Aufenthaltsqualität sehen.

Es ist gilt, das Wohlbefinden der Bevölkerung vor Ort zu verbessern und das kann man sicherlich durch solche Aktionen. Ich finde das als eine vernünftige Idee, und der möchte ich auch gerne entsprechenden Nachdruck verleihen.

BZMG: Initiatoren dieser Idee, dieses Masterplanes sind aktuell die Architekten, die Industrie- und Handelskammer und noch weitere. Der eigentliche Bürger ist da noch nicht mit involviert. Der, um den es auch letztendlich geht, den Sie auch angesprochen haben.

Es gab eine Initiative von Herrn Bude mit einer ähnlichen Zielrichtung „2030“, die sie möglicherweise kennen. Sehen sie da eine Ergänzung, eine andere Struktur oder geht es nur letztendlich um die Frage: wer kann so etwas finanzieren?

Wurff: Wir berücksichtigen die Gedanken, die damals erarbeitet wurden, zu „2030“ erarbeitet wurden, selbstverständlich. Es sind verschiedene Szenarien erarbeitet worden, die nehmen wir, wie auch die übrigen grundlegenden Planungen, die es in der Stadt gibt, auf.

Es ist leider so, dass es zwar durchaus Planungen gibt, diese Planungen sind aber nicht besonders aktuell. In den meisten Fällen sehr veraltet. Deshalb müssen wir jetzt sehen, dass wir diese grundlegenden, zielsetzenden Planungen aufarbeiten und wieder aktualisieren.

Dieser Masterplan wird nicht alles im Detail leisten können. Muss er auch nicht. Aber man muss deutlich sagen, dieser Masterplan wird sich lokal, von seiner räumlichen Auswirkung her vor allem in der Innenstadt wiederfinden.

Wobei man die Innenstadt zuerst mal definieren muss.

Ich denke, dass es der Bereich sein könnte, zwischen Stadttheater Rheydt und Kaiser-Friedrich-Halle, so in etwa. „Bipolares Zentrum“ ist natürlich ein Thema.

Wobei die Fragen zu beantworten sind: was macht die Mitte, was macht der Kern?

Aber auch was machen die Verflechtungsräume, also die angrenzenden Räume an diesen Innenstadtbereich. Das wird Kern der Fragestellung sein: was soll in diesen Räumen passieren.

Nicht als Ideenfindungsprozess, der dann in seiner Ideenhaftigkeit verharrt. Da kann man sich natürlich vieles vorstellen. Wir brauchen auch Ideen, das ist ganz wichtig, aber wir müssen sie auch auf ihre Machbarkeit überprüfen. Sind sie geeignet punktuell etwas zu verbessern?

Wir suchen Ideen, wie Gladbach aus der zu spürenden Verkrustung heraus kommt, gerade auch im Innenstadtbereich. Sie haben mich vorhin gefragt: wie haben sie Gladbach kennen gelernt, erster Eindruck und wie ist dieser Eindruck heute? Natürlich sind die Kreise, meine Eindrucksmöglichkeiten, inzwischen erweitert. Es ist so, dass wir in den Randbereichen eigentlich recht gut aufgestellt sind.

Da stimmen die sozialen Strukturen weitestgehend, da stimmen die baulichen Strukturen, da stimmt das Landschaftsbild.

Natürlich gilt es überall etwas zu verbessern, das wird es immer geben. Aber das ist nicht der wirklich problematische Bereich. Ich glaube wir müssen uns um den Kern kümmern.

Der Kern bedarf eines besonderen Engagements, einer besonderen Prioritätensetzung und da ist etwas gefragt. Was kann man wirklich bewirken. Wir sind hier als Stadt nicht die einzigen, die etwas tun. Wir können Input setzen, wir können unterstützen, aber wir brauchen natürlich die Bürger und wir brauchen Investoren, die auch etwas umsetzen.

Wir brauchen auch das Land, gerade, wenn ich an die Universität denke, die einen entscheidenden Impuls setzen kann und sollte, was sie heute nicht tut. …

BZMG: … Sie meinen die Hochschule …

Sie ist da aber, keiner nimmt sie so richtig wahr. Von den Studenten ja, Den dort Lebenden und Arbeitenden, aber sie wird im Bild, nach außen, nicht unbedingt wahrgenommen, im inneren Bild vielleicht auch nicht besonders stark.

Hier kann man Impulse setzen. Ich glaube im Moment stehen Expansionsabsichten der Universität an. Da wir uns den Standort mit Krefeld teilen, gilt es auch darauf hinzuwirken, dass die Expansion nicht nur in Krefeld stattfindet, sondern auch deutlicher in Gladbach,

Dazu gehört dann natürlich auch die Frage: wie attraktiv ist Mönchengladbach für Studenten? Ich denke, es bringt uns relativ wenig, wenn die Studenten morgens anreisen und nach ihrer Vorlesung wieder nach Hause fahren, irgendwo ins Umland oder noch weiter. Wir wollen die Studenten hier vor Ort wissen.

Studenten sind eine große Bereicherung für eine Stadt. Das habe ich im Übrigen auch in Dresden erfahren können. Da gibt es Stadtteile, die eigentlich erst durch die Aktivitäten der Studenten entwickelt wurden und dadurch ihr Image erhalten haben. Um z.B. die „Äußere Neustadt“ zu nennen, wo Studenten quasi in einer Art Pionierfunktion Stadtteile beleben.

Ich glaube das könnte auch ein Modell für Mönchengladbach sein. Ich verspüre im Moment nicht, wo die Studentenschaft und so wenige sind es ja gar nicht, Gladbach in irgendeiner Form belebt.

Das ist sehr schade, weil das ein Potenzial ist, das tatsächlich schon vorhanden ist. Das muss man gar nicht erst herholen, das ist hier vor Ort, aber wir nutzen es nicht. Ich glaube, da gibt es Angebote zu schaffen und mit der Universität viel stärker in den Dialog zu treten, damit in Gladbach mehr passiert, als dass Studenten immer wieder sehr schnell die Stadt verlassen.

Natürlich. Wohnheime sind ein Thema. Wir haben oft das Thema in Rheydt. Was passiert denn eigentlich in Rheydt?

Rheydt hat seine Probleme in der Innenstadt. Die Nähe zur Uni ist eine fußläufige. Da muss man noch nicht einmal mit dem Fahrrad fahren. Ein großer Vorteil. Ich glaube, Rheydt hat große Chancen, durch eine aktive Studentenschaft zu gewinnen.

Wir wissen alle, dass es etliche Leerstände gibt. Da brauchen wir nur durch das Zentrum zu laufen und man sieht wo die Schwächen liegen. Natürlich gibt es auch Stärken, aber eben diese Schwächen.

Bestimmte Lagen würden sicherlich durch eine stärkere Attraktivierung in Richtung, sagen wir in Richtung des jungen Konsumenten, z.B. der Studentenschaft befruchtet werden.

Das heißt, es gibt vielleicht eine gewisse Neuausrichtung der Innenstadt Rheydt. Denn das wollen wir. Wir wollen diese Bi-Polarität so leben, dass nicht jeder das gleiche macht und nicht in Konkurrenz zueinander steht.

Wir wollen, dass jeder Teil unserer Zentren eine besondere Qualität aufweist und da sehe ich durchaus sehr gute Chancen für Rheydt.

BZMG: Ein interessanter Aspekt, der bisher noch nie in der Diskussion war. Sollte man dringend vertiefen. Da spielt natürlich auch eine Rolle wie Leben in Rheydt, Leben und Wohnen in Rheydt für Studenten tragbar ist. Da wird es dann wahrscheinlich auch eine ganze Menge Arbeit geben.

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