Vor Wahlen: Staatliche Stellen müssen bei Podiumsdiskussionen auch kleine Parteien berücksichtigen, die nicht in Parlamenten vertreten sind
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[03.06.2017] Die Landtagswahl am 14. Mai 2017 endete u.a. mit dem Ergebnis, dass DIE LINKE nur 4,9% errang und damit den Einzug in den Landtag verpasste.
In diesem Zusammenhang ist ein Vorgang von Interesse, der am 21.04.2017 vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster sein Ende fand.
Das OVG hatte in einem Eilverfahren entschieden, dass auch Parteien, die aktuell – also vor den Landtagswahlen nicht im Landtag vertreten waren – von Landeseinrichtungen bei von diesen veranstalteten Podiumsdiskussionen nicht ausgeschlossen werden durften.
Damit hob das Gericht den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf auf, das einen solchen Ausschluss durch die Landeszentrale für politische Bildung für rechtens erklärt hatte.
Ob DIE LINKE durch die Teilnahme an den Podiumsdiskussionen die ihnen am Einzug in den Landtag fehlenden ca. 8.500 Stimmen hätte erreichen können, ist fraglich und im Nachhinein auch nicht mehr interessant (sie erhielt landesweit fast 420.000 Stimmen).
Interessant hingegen insbesondere für die Zukunft und für andere „kleinere“ Parteien ist die Begründung der Kammer des OVG Münster:
„Für die Bestimmung der Bedeutung einer Partei ausschließlich an den vorhergehenden Wahlerfolg anzuknüpfen, ist mit dem Grundsatz der Chancengleichheit nicht vereinbar, weil hierdurch einer Aufrechterhaltung des Status quo Vorschub geleistet und damit Veränderungen im politischen Kräftefeld seit den vorangegangenen Wahlen vernachlässigt würden. Insbesondere neu entstandene Parteien wären von vornherein von einer Teilnahme ausgeschlossen.
Deshalb müssen, um die Bedeutung einer Partei zu ermitteln, noch andere Faktoren außer den Ergebnissen der letzten Parlamentswahlen berücksichtigt werden, wie die Zeitdauer des Bestehens einer politischen Partei, ihre Kontinuität, ihre Mitgliederzahl und der Umfang und Ausbau ihres Organisationsnetzes.“ (Zitat Ende)
Die Richter ordneten die Landeszentrale für politische Bildung (LZpB) als „Teil des Staates“ ein.
Dieser (der Staat) müsse zwar im Falle von Podiumsdiskussionen ein Auswahlkonzept erstellen, weil er zumeist nicht Vertreter aller sich bewerbenden Parteien einladen könne.
Dabei habe er jedoch zu berücksichtigen, dass er nicht einfach die im Parlament vertretenen Parteien einladen darf, weil vor der Wahl ja gerade noch unklar ist, wer in das Parlament einziehen wird.
Frühere Wahlergebnisse sagen nur wenig darüber aus, ob eine Partei fünf Jahre später erfolgreich sein wird.
Beispiel hierfür war dann auch die Piratenpartei, die zwar im Landtag vertreten war und deshalb zur Teilnahme an Podiumsveranstaltungen eingeladen wurde, jedoch allen Anzeichen nach, dem neuen Landtag nicht mehr angehören würde.
Die LZpB hatte ihr Auswahlkonzept mit dem Argument verteidigt, die Berufsschülerinnen und -schüler sollten „die im Landesparlament gelebte Diskussionskultur“ nacherleben, indem sie mit den Repräsentanten der im Landtag vertretenen Fraktionen auf Augenhöhe politische Themen diskutieren, jedoch keinen Erfolg.
„Der Ausschluss eines Vertreters der Antragstellerin von den Veranstaltungen könnte bei den Diskussionsteilnehmern den Eindruck entstehen lassen, für diese Partei bestünde – anders als etwa bei den „Piraten“ – keine realistische Chance auf den Einzug in den Landtag.
Diese Ungleichbehandlung wiegt umso schwerer, als möglicherweise bereits geringfügige Stimmenunterschiede über den Einzug der Antragstellerin in das Parlament entscheiden können“ heißt es an anderer Stelle der Begründung des Gerichts zu seinem unanfechtbaren Beschluss.
OVG-Beschluss vom 21.04.2017 zur Beschwerde von DIE LINKE gegen Beschluss des VG Düsseldorf
Dieser Beschluss dürfte auch für die bevorstehende Bundestagswahl wirkungsvoll sein.
Dann nämlich, wenn die LZpB auch vor dieser Wahl im Rahmen einer „Schultour“ Podiumsdiskussionen veranstalten will, vielleicht sogar unter dem gleichen Titel, wie vor der Landtagswahl: „It’s your choice“.
Bei der „Schultour“ sollten die Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Speed-Datings die Vertreterinnen und Vertreter von Parteien kennenlernen; im Anschluss daran fanden die Podiumsdiskussionen statt.
Podiumsdiskussionen mit Parteivertreterinnen und -vertretern in Schulen gehören zu Wahlen dazu.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, junge Erwachsene zu motivieren, am Wahltag ihre Stimme abzugeben und ihnen eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben.
Bedenklich ist es jedoch, wenn einzelne Politiker – auch wenn sie selbst nicht zur Wahl stehen – vor Wahlen einzeln (oder zu zweit) in Schulen gehen, um mit wahlberechtigten Schülern einen „Dialog der Demokraten“ führen wollen.
Oder war es die Schule (als staatliche Institution), die bei diesem „Dialog“ mehr politisches Gespür hätte beweisen sollen?
Man darf gespannt sein, wie sich Schulen angesichts des OVG-Urteils, aber auch nach den teilweise massiven Auseinandersetzungen in Mönchengladbacher facebook-Gruppen zum Besuch von Dieter Breymann und Ulrich Elsen im Berufskolleg Mülfort, vor der Bundestagswahl verhalten werden.
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Übrigens: Der Beschluss des OVG entfaltet nur Wirkung für staatliche Stellen und nicht für nicht-staatliche Organisation, die vor Wahlen zu Podiumsdiskussionen einladen.
4.
Ypsilon schrieb am 11.06.2017 um 23:27 Uhr:
Sehr geehrter Herr Breymann,
Sie schreiben:
„Nur am Rande sei bemeerkt, dass es bei dieser Ausgliederung nicht um eine Privatisierung geht.“
Wenn nicht um eine Privatisierung, um was handelt es sich dann/geht es?
Danke für Ihre Antwort, bin für weiterführende Informationen offen, die mich eines Besseren belehren.
Zu Ihrer Aussage:
„Im Mittelpunkt standen vielmehr generelle Aussagen zu unserem demokratischen Rechtsstaat.“
Was verstehen Sie unter „generelle Aussagen zu unserem demokratischen Rechtsstaat“ bzw. „Dialog der Demokraten“?
3.
Henner Steigert schrieb am 11.06.2017 um 12:00 Uhr:
@D.Breymann
Zunächst eine Frage zum Verstehen: Bekannt wurde nur Ihr „Dialog der Demokraten“ in Mülfort. Sie scheiben von einer Veranstaltungsreihe. Wo hat es gleiche Veranstaltungen gegeben oder wird es noch geben?
Mir scheint, Ihr Rechtfertigungsversuch ist trefflich misslungen.
Nur noch getoppt von der persönlichen Erklärung des Herrn Elsen am Ene der letzten Ratssitzung, die jedermann noch im so Rat-TV sich ansehen kann:
https://multibc-pep.de/Player/ratmgladbach/replay/ratmgladbach_Ratssitzung%20vom%2024.5.2017.php#video
Nicht nur ellenlang, sondern auch nicht mehr als ein misslungener Selbstdarstellungsversuch, den die Welt nicht brauchte.
2.
D.Breymann schrieb am 9.06.2017 um 16:02 Uhr:
Lieber Herr/Frau Ypsilon,
es ging bei dieser Veranstaltungsreihe eben nicht um eine Darstellung parteipolitischer Unterschiede oder Programme; es ging auch nicht um tagespolitische Ereignisse und deren Bewertung.
Im Mittelpunkt standen vielmehr generelle Aussagen zu unserem demokratischen Rechtsstaat.
Wäre es eine Podiumsdiskussion mit aktuell politischem Bezug gewesen, dann müssten selbstverständlich alle an einem Tisch sitzen.
Das war aber vorliegend nicht der Fall.
Insoweit ist auch die Einbringung der Bundesautobahnen in eine staatliche Gesellschaft selbstverständlich kein geeignetes Thema für unsere Veranstaltung gewesen.
Nur am Rande sei bemeerkt, dass es bei dieser Ausgliederung nicht um eine Privatisierung geht.
MfG
D. Breymann
1.
Ypsilon schrieb am 6.06.2017 um 19:00 Uhr:
Da kein Facebook-User ging die Diskussion dort an mir vorbei.
Ich finde es jedenfalls mehr als grenzwertig, wenn nur zwei Politiker der GroKo in Schulen auftreten. Wenn schon, dann Politiker von jeder Partei.
Das Thema war ja dick genug aufgetragen gewählt: „Dialog der Demokraten“. Hoppla!
Echte Demokraten hätten demokratisch gehandelt und ALLE Parteien eingeladen sich diesem Dialog zu stellen.
Oder war es doch nur eine Wahlkrampf-Veranstaltung in der die beiden Herren konkurrenzlos glänzen wollten?
Habe mal in dem RP-Artikel gelesen. Zitat:
„In den Texten zeigt sich, dass die jungen Leute von einer besseren Gesellschaft träumen“, sagt Dieter Breymann, Anwalt und CDU-Ratsherr. „Sie verlangen auch, dass man sie ernst nimmt.“
Sein SPD-Kollege Ulrich Elsen, Bürgermeister und ehemaliger Lehrer, erklärt: „Wir müssen etwas gegen dieses diffuse Gefühl tun, dass zwischen Politikern und Bürgern eine große Kluft liegt.“ Zitat Ende.
Herr Breymann und Herr Elsen, dann erklären Sie doch bitte jetzt diesen jungen Leuten und allen Bürgern, deren Wille mal wieder missachtet wurde, warum ihre Parteien im Bundestag der Grundgesetzänderung zugestimmt haben, die den Weg für die Privatisierung von Autobahnen und Schulen frei machte. Also nichts als eine Enteignung ist, denn alles wurde durch die Bürger dieses Landes finanziert und gehört diesen.
Mit solchen selbstherrlichen Entscheidungen der Politiker (im Bundesrat sogar mit Zustimmung ALLER Parteien!) können sie alles vergessen, was sie den jungen Leuten erzählten.
Das diffuse Gefühl, dass zwischen Politikern und Bürgern eine große Kluft liegt, wurde am Donnerstag (01.06.2017) und Freitag (02.06.2017) vergangener Woche, massiv verstärkt und bestätigt, dass dieses Gefühlt sehr zu Recht besteht.
Außerdem wurde klar, dass nicht nur Schüler sich nicht ernst genommen fühlen.
ALLE Wähler die diesen Parteien ihre Stimme gaben, wurden letztendlich betrogen und NICHT ernst genommen.
Besonders übel: alles war so gut verpackt (Omnibusgesetz), dass es nur sehr wenige überhaupt mitbekommen haben. Auch die Medien schwiegen. Halten und hielten sich bedeckt. 🙁
Der Spiegel am 12.11.2016:
Grundgesetzänderung
Bundesregierung will Autobahnen privatisieren
Die Pläne der Bundesregierung, das Autobahnnetz zu privatisieren, werden konkreter. Verdienen sollen daran die Versicherungskonzerne. Bezahlen wird es am Ende womöglich der Autofahrer – per Maut.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bundesregierung-will-schon-bald-autobahnen-privatisieren-a-1120897.html
Was jetzt? Ist das sogenannte Demokratie? Dafür geben die Bürger bei Wahlen ihre Stimmen ab??????