UEFA EURO 2024: Kostet Vorstoß von OB Reiners die Stadt 20 bis 30 Mio. EURO? • Reiners glaubt an „Ausstiegsmöglichkeit“, Dr. Gert Fischer hingegen nicht • Grüne, Linke und andere wegen unkalkulierbarer Risiken gegen Bewerbung
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[26.05.2017] Er gehörte nicht zu den wenigen Highlights des Hans Wilhelm Reiners (CDU) in seiner Funktion als Leiter von Sitzungen des Mönchengladbacher Rates: der Tagesordnungspunkt 11.
Bei diesem ging es um die gemeinsame Bewerbung der Stadt und Borussia für Mönchengladbach als Austragungsort von Spielen der Europameisterschaft 2024.
Entgegen bisherigen Gepflogenheiten im Rat gab Reiners seine „Neutralität“ als Sitzungsleiter auf, äußerte sich außergewöhnlich oft zum Thema und versuchte, Akzente „pro Bewerbung“ zu setzen, obwohl ihm eine Ratsmehrheit mindestens aus CDU und SPD sicher sein konnte.
Anders als im Zusammenhang mit der umstrittenen „Tour-Durchfahrt“, für die die Initialzündung über einen GroKo-Antrag in die politische Diskussion getragen wurde, war es Reiners, der hier – in Form einer Beschlussvorlage – aktiv wurde.
Davon, dass diese „Aktion“ von langer Hand geplant war, ist auszugehen.
Genauso, dass diese von ebenso langer Hand, vornehmlich durch die Ex-Kollegen des Ex-Sportredakteurs Reiners, in der RP-Redaktion medial, sozusagen zum Aufwärmen, um die Leser schon mal peu à peu mit dem Thema vertraut zu machen, in verschiedener Hinsicht „vorbereitet“ wurde.
Möglicherweise erhoffte man sich einen derartigen Hype, dass kritische Stimmen dann keine Chance mehr haben würden, substanziell Gehör zu finden. Bislang ein Trugschluss.
Diese Stimmen kamen angesichts der vollkommenen Unabsehbarkeit der Finanzrisiken für die Bürger dann auch von den Grünen und den Linken.
Anfänglich auch von Nicole Finger (FDP), die sich später dann als ausreichend aufgeklärt sah, so dass auch ihre Fraktion dem Beschlussvorschlag Reiners‘ zustimmte.
Finger begründete die Zustimmung ihrer Fraktion damit, dass sie (Finger) durch ihren fußballspielenden Sohn erkannt habe, welche identitätsstiftenden Auswirkungen dieser Sport habe, und dass sie im Präsidenten des VfL Borussia Rolf Königs einen starken Partner an der Seite der Stadt sehe, der schon dafür sorgen werde, dass man von DFB und UEFA nicht über den Tisch gezogen würde.
Grundlage für die gefühlt fast einstündige Diskussion bildete die von OB Reiners unterzeichnete Beratungsvorlage 2339/IX, mit der den Ratsmitgliedern mitgeteilt wurde, dass zwar einerseits hinsichtlich der finanziellen Risiken für den städtischen Haushalt faktisch nichts klar ist, es andererseits nach einem positiven Entscheid auch kein Zurück mehr gibt.
Hier die Fakten, die der zuständige Sportdezernent Dr. Gert Fischer (CDU) als Verfasser der Beratungsvorlage zusätzlich mündlich bestätigte bzw. erläuterte:
- Derzeit keine seriöse Kostenschätzung möglich
- Kostenvolumen z.B. für Werbung und Rahmenprogramm können weitgehend von der Stadt bestimmt werden (Erfahrungen aus Hockey-WM 2006 und Frauen-WM 2011)
- Infrastruktur des Borussenstadions lässt keine „unbeherrschbaren“ Kosten erwarten
- Sponsoring- und Fördermittel lassen sich generieren
- Kosten und Einnahmen können erst nach Entscheidung der UEFA (Herbst 2018) entwickelt werden
- Öffentlichkeitsarbeit während des Bewerbungsverfahrens 50.000 EURO Stadt, 50.000 EURO Borussia (städtische Haushaltsmittel über „mg+“)
Ähnlich wie bei der „Tour-Durchfahrt“ und den o.g. Sportevents argumentierte Fischer mit Impulsen für das Wirtschaftsleben, Erhöhung des internationalen Bekanntheitsgrades für Mönchengladbach, uneingeschränkt positive Effekte für die Stadtgesellschaft, Beitrag für „mg+ Wachsende Stadt“.
Die zahlreich und detailliert vorgetragenen Bedenken von Linksfraktion und Bündnisgrünen versuchte Hans Wilhelm Reiners in einem seiner zahlreichen Diskussionsbeiträge damit zu zerstreuen, indem er versuchte, das Bewerbungsverfahren mit einer Autobahn zu vergleichen, bei der es mehrere Abfahrten gebe.
Dem widersprach „sein“ Sportdezernent und Parteifreund Gert Fischer.
Auf intensive Nachfrage der Grünen musste er (Fischer) zugeben, dass es KEIN Zurück mehr gebe, weil es sich um einen Grundsatzbeschluss handele, den der Rat nicht mehr zurückholen könne.
Auf Grund der Erfahrungen mit einem Beschluss zur „Tour-Durchfahrt“ im Dezember 2015, als CDU und SPD die Verwaltung beauftragten, gegenüber Düsseldorf „… deutliches Interesse zu bekunden …“ und „… die finanziellen Aspekte … auszuloten …“, wollten die Grünen wissen, ob es sich um einen „Grundsatzbeschluss“ handeln würde.
Als solchen hatte die Verwaltung seinerzeit diesen Beschluss „verstanden“ und daraus einen Auftrag abgeleitet so zu tun, als ob es sich um einen Grundsatzbeschluss handeln würde.
Erst in der Ratssitzung am 06.04.2017 wurde, angesichts der Kosten in Höhe von über einer halben Million EURO, genau dies deutlich. Die Grünen hatten diesen Beschluss mit erheblichen Bedenken mitgetragen.
Dennoch fühlten sie sich von GroKo und Verwaltung offensichtlich „über den Tisch“ gezogen, wollten einen solchen Vorgang (möglicherweise erst in ein paar Jahren) nicht noch einmal erleben und wurden bei der Nachfrage ganz präzise.
Fischer antwortete, dass es sich bei der (heute) anstehenden Entscheidung um eine Grundsatzentscheidung „ohne Wenn und Aber“ handele, von der es kein Zurück mehr gebe. Eine Notbremse gebe es zwar immer, aber dann müsse schon „etwas ganz Fürchterliches passieren“.
Zuvor hatte Felix Heinrichs (SPD) mit Verweis auf Reiners‘ „Autobahn-Metapher“ erklärt, dass der heutige Beschluss kein „Blanko-Scheck“ sei und hoffte außerdem, dass man noch etwas „aushandeln“ könne.
Im Verlauf der Diskussion wies Grünen-Fraktionschef Karl Sasserath darauf hin, dass Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) wegen unkalkulierbarer finanzieller Risiken mit dem Ausstieg aus der Bewerbung für die Europameisterschaft 2024 droht.
Auch weil er mit Kosten in Höhe von 20 bis 30 Mio. EURO rechnet.
„Wenn wir ja sagen, kaufen wir die Katze im Sack“, erklärte Sierau am Dienstag, den 23.05.2017.
Möglicherweise waren es diese Dortmunder Erkenntnisse und die Einlassungen von Felix Heinrichs, die Sasserath zur Formulierung eines Erweiterungsantrag bestärkte, der lautete:
„Nach Berücksichtigung der Bewerbung als Spielort für die Europameisterschaft 2024 entscheidet der Rat über eine endgültige Beteiligung“.
Mit diesem Zusatz würde die Fraktion von B90/Die Grünen den Beschluss mittragen können.
Zu dieser Formulierung meinte OB Reiners, seine Lebenserfahrung sage ihm, dass eine Bewerbung ernst gemeint sein sollte.
Der Zusatz der Grünen wurde erwartungsgemäß von der Ratsmehrheit aus CDU, SPD und FDP abgelehnt, was dazu führte dass Reiners‘ Beschlussvorschlag von B90/Die Grünen, DIE LINKE und fraktionslosen Ratsmitgliedern (11 Gegenstimmen) nicht mitgetragen wurde.
Dezidiert geht Dr. Gerd Brenner (B90/Die Grünen) auf die Ablehnungsaspekte ein:
„Aber Vorsicht: Wenn Kosten und Bedingungen aus dem Ruder laufen, müssen sie auch die Notbremse ziehen können“ kommentierte RP-Redakteur Dieter Weber richtigerweise in der gestrigen RP-Ausgabe (25.05.2017).
Aber genau das ist ausgeschlossen, wenn man den Worten von Gert Fischer glauben darf.
Nachdem die Diskussion alles in allem sachbezogen geführt wurde, ließ es sich der Fraktionssprecher der CDU, Dr. Hans Peter Schlegelmilch, nicht nehmen, anlasslos mit einem Statement eine bis dahin nicht zu erwartende Schärfe in die Debatte einzubringen, indem er DIE LINKE als „Fraktion der Freudlosen“ bezeichnete.
Das trug ihm zwar Gelächter und Applaus seiner Fraktionskollegen ein, lies jedoch beim besten Willen einen Sachbezug ebenso wenig erkennen, wie einen Bezug zu seinem Mantra der „großen Bedeutung“ der Fußball-EM für „mg+ Wachsende Stadt“.
Dass die „Hoffnung“ von Felix Heinrichs (SPD), es gebe noch einen Verhandlungsspielraum, nicht in Erfüllung gehen wird, zeigt ein Studium des Bewerbungsreglements für die UEFA EURO 2024, das die Interessen der UEFA in einer Weise deutlich macht, die keine Zweifel erlauben.
Bewerbungsreglement für die UEFA EURO 2024
Verhandlungsspielräume sind demnach ausgeschlossen und auch der DFB wird – selbst bei noch so „guten“ Beziehungen des Borussia-Präsidenten Königs – davon keinen Deut abweichen (wollen).
Eine „Lex Mönchengladbach“ ist auch deshalb auszuschließen, weil es weitere interessierte Städte und Vereine gibt.
Vielleicht sollte Felix Heinrichs einfach mal mit seinem Dortmunder Genossen telefonieren.
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UEFA logo 2012: Urheber unbekannt in der englischen Wikipedia, Logo, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=7702036
5.
M. Angenendt schrieb am 30.05.2017 um 20:44 Uhr:
Vielleicht können die Verantwortlichen aus Gladbach nicht mit den Ohren schlackern?
Oder die haben nicht kapiert, warum das die anderen taten?
Oder die waren nicht beim Workshop?
Ärgerlich, dass die angeblich verantwortlichen, wichtigen und klugen Leute gar keine Verantwortung haben und nicht haftbar gemacht werden können, wenn das daneben geht. Die müssen nichts zahlen.
4.
Brummbär schrieb am 29.05.2017 um 16:42 Uhr:
Wenn es einen Workshop (11.04.2017) gab, wer war für die Stadt MG dort? Hat/haben der/diejenigen nicht „mit den Ohren geschlackert“?
Aus dem Text der Medienanalystin:
„Selbst große Bewerberstädte sollen mit den Ohren geschlackert haben, ist aus der DFB-Zentrale in Frankfurt zu vernehmen, wohin alle Interessenten am 11. April zu einem Workshop geladen waren; erst dort waren den Interessenten die Kriterien genannt worden, was Bereiche wie Fanzonen, Infrastruktur, Medien- und Stadionrichtlinien betrifft. „
Wird alles schön geredet, weil bestimmte Leute dieser Stadt es so wollen und (tatsächlich?) das PR-Märchen glauben – wollen?
Ist mehr der Wunsch der Vater des Gedanken als logisches Denken und Abwägen der wirtschaftlichen/finanziellen Tatsachen?
3.
medienanalystin schrieb am 28.05.2017 um 20:34 Uhr:
Freiburg und Kaiserslautern zogen Bewerbungen zurück. Dortmund muss noch einmal nachdenken,
Wikipedia:
„Die Stadt Freiburg zog ihre Interessenbekundung am 25. April 2017 zurück. Als Grund wurde angegeben, dass die vom DFB bekanntgemachten Vorgaben für eine Bewerbung aktuell nicht mit einer erfolgversprechenden Bewerbung in Einklang zu bringen sind.
Am 15. Mai 2017 zog schließlich auch die Stadt Kaiserslautern ihre Bewerbung zurück, als Grund nannte man ein „unverantwortliches finanzielles Risiko“.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Europameisterschaft_2024#cite_note-11
Kaiserslautern, Zitat :
„Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) sprach von einem „unverantwortlichen finanziellen Risiko”.
Es gäbe große Unabwägbarkeiten, zudem würden sich viele Kosten erst nach Ablauf des Turniers in ihrer vollen Tragweite zeigen. Nach Karlsruhe und Freiburg macht somit die dritte Stadt einen Rückzieher.
Durch Auflagen der Europäischen Fußball-Union (UEFA) wie die Gewährleistung der Sicherheit, externe Personalkosten und Public Viewing entstünde der finanziell gebeutelten Stadt ein geschätzter Zuschussbedarf in Höhe von sechs bis acht Millionen Euro.“ Zitat Ende.
http://www.handelsblatt.com/fussball-kaiserslautern-zieht-bewerbung-fuer-fussball-em-2024-zurueck/19805558.html
In der Badischen Zeitung war zu Freiburgs Rückzug u.a. zu lesen, Zitat:
„Offenbar war aber nicht ein einzelnes Kriterium ausschlaggebend für den Freiburger Rückzug, sondern eine Reihe von Gründen.
Selbst große Bewerberstädte sollen mit den Ohren geschlackert haben, ist aus der DFB-Zentrale in Frankfurt zu vernehmen, wohin alle Interessenten am 11. April zu einem Workshop geladen waren; erst dort waren den Interessenten die Kriterien genannt worden, was Bereiche wie Fanzonen, Infrastruktur, Medien- und Stadionrichtlinien betrifft.“ Zitat Ende.
http://www.badische-zeitung.de/freiburg/freiburg-wird-kein-spielort-fuer-die-fussball-em-2024–136035300.html
Wegen „deutlicher Kritik“ aus Dortmund will DFB nochmal nachdenken:
„Zuletzt hatte es aus Dortmund, das aktuell in der Bundesliga das Stadion mit dem größten Fassungsvermögen in Deutschland vorweist, deutliche Kritik gegeben.
Der Dortmunder Oberbürgermeister hatte betont, der DFB fordere eine pauschale Zusage, ihn „auf eigene Kosten bestmöglich zu unterstützen“.
Aus dem Forderungskatalog gehe aber nicht hervor, wie hoch die Kosten wirklich seien. „Wir können sie nicht beziffern. Wenn das Geschäftsmodell von DFB und UEFA ist, wir bezahlen und sie kassieren, dann ist das etwas einseitig“, wird Sierau in verschiedenen Medien zitiert. Dortmund kündigte an, den Rat entscheiden zu lassen.“ War im Tagesspiegel zu lesen:
http://www.tagesspiegel.de/sport/nach-kritik-aus-dortmund-dfb-verlaengert-bewerbungsfrist-fuer-em-2024/19850882.html
Für Mönchengladbach alles kein Problem oder Risiko?
Herr Dr. Brenner und Herr Dr. Fischer scheinen zu den Wenigen zu gehören, die in der Lage sind kritisch zu denken, statt riskanten Träumen anzuhängen, die unsere arme und hoch verschuldete Stadt eine zweistellige (!!!) Millionensumme kosten könnte, die sie nicht hat.
Herr Dr. Fischer bleiben Sie hart und kritisch!
2.
Kerstin Königs schrieb am 27.05.2017 um 18:29 Uhr:
Haben wir keine anderen Sorgen?
Immer dieses Schönreden und Schönrechnen. Wem soll das was bringen?
Hoffentlich bleibt Herr Dr. Fischer, Linke und Grüne kritisch.
1.
M. Angenendt schrieb am 27.05.2017 um 11:51 Uhr:
Träume sind Schäume.
Sich DFB und UEFA-Mafia ausliefern ist richtig verantwortungslos und dumm zusammen. Habe keinen Ausdruck dafür.
Sowas wird einer verarmten Stadt zugemutet weil es einen OB gibt der mal Sportredakteur war und nur das richtige Parteibuch hat, aus dem er sein „Wissen“ über Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Controlling, Verwaltungsrecht, Stadtplanung, Stadtmarketing, juristische Grundkenntnisse und Menschenführung hat oder glaubt zu haben.
Schlecht wenn ein OB auch noch einen egozentrischen Freund hat, der sich als Baumeister eine Stadt voller Denkmäler für sich bauen will.
Erst bauen, dann denken. Warum schenkt dem niemand reichlich Lego und nen Stabilbaukasten?
Wachsende Stadt, drunter geht nix mehr. Geld spielt keine Rolle. Grundstücke verschleudern auch wurscht.
Hauptsache bauen, bauen, bauen bis der Arzt kommt. Hochwertig. Drunter geht nix.
Diese Leute träumen dann vom großen PR-Knaller wegen einer Fußballveranstaltung.
Leben die in ner Parallelwelt? Bodenhaftung ist bei denen futsch.
Bis es dann Puff macht und die Blase platzt. Dann sind wieder die Bürger dran. Einer muss nu mal fürs Zahlen zuständig sein.