Aspekte des Wählens • Teil XXI: Wie ehrlich ist das Bedauern um geringe Wahlbeteiligung? • Alles nur Krokodilstränen?
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[23.05.2017] Nach der reinen Lehre sind Wahlen eine Form der Partizipation.
Das reicht den meisten Politikern und Parteien, um vor und nach Wahlen regelmäßig unter Krokodilstränen Statements zur immer geringer werden Wahlbeteiligung abzugeben.
Dabei wissen sie ganz genau, dass es dabei auch um die Frage der daraus abzuleitenden Legitimation der Gewählten geht.
Im günstigsten Falle thematisieren Gewählte – wenn auch nur für Sekunden – sogar diesen Zusammenhang, ohne jedoch daraus nachhaltig Rückschlüsse zu ziehen und in ihrem späteren Handeln die Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungsprozessen nachhaltig zu verbessern.
Stattdessen nutzen sie bekannte Mittel und Wege und erfinden neue, um ein noch stärkeres Auseinanderklaffen zwischen „Regierenden“ und „Regierten“ voranzutreiben.
Getreu dem Motto „Ihr habt uns Eure Stimmen gegeben und jetzt können wir für die nächsten vier, fünf oder sechs Jahre tun, was WIR wollen.“
So wie beispielsweise Norbert Bude (SPD) im Jahr 2004 nach seiner ersten Wahl zum Mönchengladbach Oberbürgermeister.
Damals bezeichnete er die Wahlbeteiligung als „eigentlich katastrophal“ und meinte: „… insofern macht man sich schon Gedanken über die Frage der Legitimation“.
Sehr zutreffend diese Frage angesichts der Tatsache, dass nur 16,12% der Wahlberechtigten ihn in der Stichwahl am 10.10.2004 gewählt hatten.
Trotz dieser von ihm selbst aufgeworfenen Frage nach „Legitimation“ entwickelte sich Budes Außenwirkung vom anfangs bürgernahen SPD-Oberbürgermeister zu einem Vertreter von Interessen anderer politischer und wirtschaftlicher Protagonisten und leider auch immer weiter weg von der Bürgernähe.
Fünf Jahre später, also 2009, im Zuge der Diskussion, ob Kommunalwahl und Bundestagswahl zusammengelegt werden sollten, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Beine: „Es muss das klare Ziel aller politisch Verantwortlichen sein, einer hohen Zahl von Wählerinnen und Wählern die Teilnahme an Wahlen zu ermöglichen und damit eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen“.
„Für eine hohe Legitimation bedarf es einer hohen Wahlbeteiligung und die gibt es nur bei einer Zusammenlegung von Kommunal- und Bundestagswahl am 27. September”, fügte Grünen-Fraktionschef Karl Sasserath hinzu.
Nur durch die Zusammenlegung dieser beiden Wahlen stieg die Wahlbeteiligung, die aber trotzdem nur dazu führte, dass OB Bude durch lediglich 22,13% der Mönchengladbacher Wahlberechtigten im Amt bestätigt wurde.
Im Jahr 2013 plädierte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, Hans-Willi Körfges, für die Wiedereinführung der OB-Direktwahl:
„Die Einführung der Direktwahl von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten im Jahr 1994 hat nicht nur zu einer Erhöhung ihrer demokratischen Legitimation geführt, sondern auch die Verantwortungsgemeinschaft zwischen Hauptverwaltungsbeamten und kommunaler Vertretung gestärkt.“
Wie desolat die „demokratische Legitimation“ ausfiel zeigten dann die Ergebnisse zur Wahl des Mönchengladbacher Oberbürgermeisters im Jahr 2014.
Mit nur 14,57% der Wahlberechtigten Mönchengladbacher wurde Hans Wilhelm Reiners (CDU) zum neuen Hauptverwaltungsbeamten/Oberbürgermeister gewählt.
Die „Sorge“ und das „Unverständnis“, das Reiners angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung in Mönchengladbach äußerte, waren ebenso schnell verflogen, wie die Überraschung über die minimale Differenz von nur 543 Stimmen zu seinem Mitbewerber Norbert Bude (SPD).
Realität ist, dass sich die machtgetriebenen Parteiakteure wirklich weder für die geringe Wahlbeteiligung noch die „politische Legitimation“ interessieren.
Anderslautende bedauernde Äußerungen haben kaum mehr Wert als Krokodilstränen und eine äußerst flüchtige Halbwertszeit.
Ernüchternd:
Die Wahl Reiners‘ war und ist nichts anderes als die Fortsetzung der Amtszeit Budes, nur mit einem anderen Gesicht.
Mehr noch:
Es entwickelte sich rasch die Fortsetzung der bei der Kommunalwahl 2009 durch die „Ampel-Zeit“ jäh unterbrochene CDU-Politik, nun mit einer sekundierenden SPD-Fraktion.
Denn seit der Kommunalwahl 2014 stellten Reiners, „seine“ CDU und der kleinere Kooperationspartner SPD unter Beweis, dass für sie die „Legitimation“ in Wirklichkeit überhaupt keine Rolle spielt.
Unausgesprochen sind sie überzeugt, von der „Wahlbevölkerung“ dazu „legitimiert“ zu sein, eine GroKo zu bilden, ja, dies gar vom Wähler gewünscht werde. .
Von den Bürgern „legitimiert“ glauben sie beispielsweise auch, hunderttausende EURO für Flops, wie „Rock im JHQ“ oder„Seasons“ quasi zum Rathausfenster hinauswerfen zu dürfen, obwohl Ablehnung und Unverständnis für diese Ego-Projekte der beiden GroKo-Vorsitzenden in breiten Bevölkerungsschichten mehr als deutlich waren.
Sie glauben von den Bürgern zur Gründung einer AöR „legitimiert“ zu sein, die den Bürgern nichts anderes bescherte, als die Erhöhung der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer, ohne den Nachweis zu erbringen, dass die Leistungen auch ohne dieses „Outsourcing“ in der bisherigen Struktur in gleicher Weise erbracht werden könnten.
Spätestens an dieser Stelle trifft Kommentator „Brummbär“ den Nagel auf den Kopf, indem er Herbert Wehner (SPD) zitiert:
“Der Wähler legitimiert mit seiner Wahl die Entscheidungen, die anschließend gegen ihn unternommen werden.”
Wie zur Bestätigung dessen antwortete ein SPD-Parteivertreter in der nicht repräsentativen BZMG-Spontan-Umfrage vor der NRW-Landtagswahl 2017 auf die Fragen „Warum soll ich wählen gehen?“ mit:
„Eine hohe Wahlbeteiligung erhöht die Legitimation des Parlaments“.
Ergebnisse zur Frage 1: Warum soll ich wählen gehen?
Wenn auch mehr aus partei-taktischen Gründen war es dann vor einigen Tagen die SPD, die aus dem desolaten Abschneiden schloss, nicht mehr „legitimiert“ zu sein, sich an der neuen Landesregierung zu beteiligen.
Recht so.
Wahlen „legitimieren“ nicht nur in der Politik, sondern offensichtlich auch partei-intern.
Je größer die Mehrheit in Parteigremien für die Nominierung einer Person für eine Funktion oder eine Kandidatur, umso größer die Legitimation.
Das musste Stefan Wimmers erleben, als er im Januar 2009 für ein CDU-Ratsmandat kandidierte und „plötzlich“ Neu-Mitglieder im Ortsverband auftauchten, die teilweise in Duisburg und Wülfrath wohnten.
Das musste auch Felix Heinrichs erleben, der 2013 gerne Bundestagskandidat der SPD geworden wäre, jedoch gegen Gülistan Yüksel unterlag.
Bis heute halten sich die Gerüchte, dass eine halbe Stunde vor dem Nominierungsparteitag auf einer Vorstandssitzung des Ortsvereins Rheydt/Odenkirchen die Aufnahme von etwa 70 neuen Mitgliedern bestätigt wurde, was Yüksel im Ergebnis die Legitimation eingebracht haben soll, für den Bundestag kandidieren zu können.
Ähnlich anmutende Vorgänge gab es auch innerhalb der mittlerweile aufgelösten FWG, als sich ein engagierter Bezirksvertreter durch ein Mitgliedervotum die Legitimation dafür erhoffte, für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren zu können.
3.
Schimanski schrieb am 28.05.2017 um 18:26 Uhr:
Opa erkärt, was Politik ist:
https://www.youtube.com/watch?v=D6Ft7r7Jye4
2.
Ypsilon schrieb am 26.05.2017 um 07:30 Uhr:
Es geht nur um Macht und Einfluss und letztendlich um Geld. Das wird dem Normalo als Politik FÜR ihn verkauft. Wenige Politiker-Ausnahmen bestätigen das stets aufs Neue.
Klüngel und Netzwerke überall. Die Krönung ist die sogenannte, absolut demokratiefreie EU. Von der Kommune, also dem kleinsten Dorf bis dort hin – überall dasselbe.
Parteiendiktatur, sonst nichts. Das wird den Menschen als repräsentative Demokratie verkauft.
Zugegeben, die PR und Shows dazu sind brillant und das funktioniert seit über 100 Jahren prächtig – solange man über das System nicht intensiver nachdenkt.
Edward Snowden:
„Der Glaube daran, dass die gewählten Volksvertreter unsere Probleme lösen werden, ist der Fehler, den wir ständig wiederholen.“
Glauben bedeutet per se: nichts wissen.
1.
Brummbär schrieb am 25.05.2017 um 23:08 Uhr:
Würden Wahlen etwas ändern, wären sie verboten.