Weiterhin vier Mönchengladbacher Landtagsabgeordnete in Düsseldorf • Kleine Wahl-Nachlese • Laschet‘s Erfolg ein Pyrrhus-Sieg?

Bernhard Wilms [ - Uhr]

Ein Wechselbad der Gefühle muss Hans-Willi Körfges (SPD) am Wahlabend durchlaufen haben.

Zunächst die erste schockierende Hochrechnung, die deutlich machte, dass die SPD die Wahl zum NRW-Landtag klar verloren haben würde, dann der konsequente Rücktritt „seiner Hannelore“ (O-Ton Körfges) von allen Parteiämtern, alles verbunden mit der Unsicherheit, ob sein 4. Listenplatz reichen würde, weiterhin für Mönchengladbach im Landtag aktiv sein zu können.

In der Nacht zum Montag war dann klar, dass der 4. Listenplatz „ziehen“ würde, weil die SPD in NRW unerwartet viele Direktmandate nicht mehr erringen konnte.

Dass die NRW-SPD nun entschieden hat, evtl. Gesprächsangebote des designierten neuen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet nicht anzunehmen, es also in NRW nicht zu einer GroKo kommen wird, entspricht durchaus ’Körfges‘ Intension.

Schon im BZMG-Interview am Aschemittwoch hatte der 63-jährige eine GroKo (damals noch unter SPD-Führung) ausschließlich als „letzte“ Option gesehen. Zu groß seien die politischen Unterschiede zwischen SPD und CDU, meinte Körfges seinerzeit.

Wenn auch unter anderen Vorzeichen, ist die SPD nun endgültig zur gleichen Erkenntnis gekommen und hat sich und der CDU viel (Verhandlungs-)Zeit erspart. Zeit, die die NRW-SPD dringend brauchen wird, um sich neu aufzustellen.

Unter wiederum anderen Vorzeichen, dürfte auch der BZMG-Interviewpartner der CDU am Wahlabend, Norbert Post, zufrieden sein, der zum Abschluss über eine GroKo in NRW sagte: „Lieber nicht!“

Somit bleibt als letzte Option für eine neue Landesregierung am Rhein nur eine schwarz-gelbe Koalition, bei der die FDP ungeplant und ungewollt zum „Steigbügelhalter“ Laschets werden könnte.

Und das mit nur einer Stimme Mehrheit für Schwarz-Gelb im Düsseldorfer Landtag.

Davon spricht und schreibt die CDU-nahe Rheinische Post nichts.

Vielmehr suggeriert ihr Autor Martin Kessler den Lesern, dass die Wähler sich für eine schwarz-gelbe Koalition entschieden hätten: „… Vielleicht ist es nicht schlecht, dass CDU und FDP nicht im Hurra-Stil aufeinander zugehen, sondern sich erst beschnuppern. Nach einer Zeit des Abtastens müssen sie aber ernst machen. So haben es die Wähler entschieden.“ (Zitat Ende)

Damit verschweigt Kessler die Tatsache, dass die Wähler gar nicht die Möglichkeit haben, eine Koalition zu wählen. Das gibt das Wahlrecht überhaupt nicht her.

Soweit, dass Kreuzchen auf einem Papier auch gleichzeitig die Motivation des Wählers wiedergeben, wie beispielsweise den Wunsch nach einer bestimmten Koalition, sind wir bei allem „Digitalisierungshype“ noch lange nicht.

Würde nicht Schwarz-Gelb vor der Tür stehen, sondern eine GroKo, hätte Kessler oder jemand anderes dann ebenfalls geschrieben: „So haben es die Wähler entschieden.“

In gleicher Weise wäre sicherlich auch „argumentiert“ worden, wenn es zu einer sozial-liberalen Koalition gekommen wäre.

Denn wer die aktuellen FDP-Führungskräfte beobachtet und erlebt hat, wird neben einem erstarkten Selbstbewusstsein festgestellt haben, dass seitens der FDP eine solche Koalition nicht ausgeschlossen wurde.

18.03.2017: FDP startet in den Landtagswahlkampf • Dr. Joachim Stamp beim Kreisparteitag mit Angriffen auf Grüne und Innenminister Jäger (SPD) • Kein Wort zur CDU aber mit der Hoffnung drittstärkste Kraft im neuen Landtag zu werden [mit O-Tönen]

30.03.2017: Christoph Rasche zu Gast bei der FDP Mönchen­glad­bach • Eine Nachlese mit Schwerpunkt „Landtagswahl NRW 2017“ • Sozial-Liberale Koalition in Aussicht? [mit Audios]

09.04.2017: Strebt die FDP über eine „Sozial-Liberale Koalition“ wieder an die Macht in Düsseldorf? • Christian Lindner mit Auftritt in voll besetztem Cinema Center ohne „Koalitionsvision“

Die Verhandlungen, die die CDU nun auf Gedeih und Verderb (nur) mit der FDP zu führen haben wird, dürfte für Laschet kein „Zuckerschlecken“ werden.

Wichtig ist dabei, dass die Landesverfassung keine Frist-Vorgabe dazu enthält, wann eine Regierung gebildet sein muss. Lediglich die konstituierende Sitzung des Landtages muss 21 Tage nach der Wahl stattgefunden haben.

Sollte es zu einer Koalition kommen, wird es spannend sein, wie sich die AfD bei der Wahl des Ministerpräsidenten und späteren Abstimmungen verhält.

Deren „Spitzenkräfte“ sprechen gerne von einem „bürgerlichen Lager“ aus AfD, CDU und FDP.

Weder CDU noch FDP können das Abstimmungsverhalten der AfD-Abgeordneten beeinflussen.

So kann es durchaus sein, dass Laschet mit AfD-Stimmen gewählt wird und die AfD bei manchen Themen mit einer schwarz-gelben Koalition stimmt, obwohl sie eine permanente Opposition angekündigt hat.

Bei der knappen Mehrheit von aktuell nur einer Stimme von Schwarz-Gelb ist nicht auszuschließen, dass die AfD zum Mehrheitsbeschaffer für CDU/FDP avanciert.

Und sei es nur aus populistischen Gründen.

Alles in allem könnte sich der als grandios dargestellte Wahlerfolg der CDU mit Laschet an der Spitze durchaus als Pyrrhus-Sieg herausstellen … mit Unterstützung der von allen anderen Parteien als „nicht-demokratisch“ beschriebenen AfD-Abgeordneten.

7 Kommentare zu “
Weiterhin vier Mönchengladbacher Landtagsabgeordnete in Düsseldorf • Kleine Wahl-Nachlese • Laschet‘s Erfolg ein Pyrrhus-Sieg?”
  1. Vergessen, gehört auch zum Thema.

    Edward Snowden:

    „Der Glaube daran, dass die gewählten Volksvertreter unsere Probleme lösen werden, ist der Fehler, den wir ständig wiederholen.“

  2. Herbert Wehner/SPD:

    “Der Wähler legitimiert mit seiner Wahl die Entscheidungen, die anschließend gegen ihn unternommen werden.”

  3. Hallo Stadtfilzer,

    Danke für diese hilfreichen Ausführungen
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    Arno Gruen wurde 1923 in Berlin geboren.

    Ein Ereignis in der Volksschule war ihm bis ins hohe Alter in Erinnerung: Die Lehrerin ermahnte Arno Gruens Klasse, sie sei zu undiszipliniert, und beschloss, einen Rohrstock zu beschaffen, um die Kinder damit zu bestrafen.

    Sie nahm also ihr Portemonnaie aus der Tasche, suchte einen Groschen heraus und fragte, wer zum Laden laufen wolle, um den Rohrstock zu kaufen.

    29 Zeigefinger schnellten in die Höhe, nur der des sechsjährigen Arno nicht.

    „Ist das nicht verrückt“, wunderte sich der Psychoanalytiker noch später, „alle wollten unbedingt den Stock kaufen, mit dem sie geschlagen werden sollten.“

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  4. @ Marianne

    Genauso wie es Herr Müller beschreibt, „läuft“ es nun mal.

    Links wurde schon immer gerne genommen, denn das sind per se die Bösen. Seit des Erstarkens der AfD dank sogenannter Flüchtlingskrise, gibt es auch einen Buhmann rechts außen.

    Das ist praktisch und die „guten“ Parteien können auf Links wie Rechts mit spitzem Finger zeigen, statt mal einen Blick in den Spiegel zu tun, zu hinterfragen warum es dazu kommen konnte und vor der eigenen Haustür zu kehren.

    Warum ist das überhaupt so? Mit Sicherheit nicht, weil es ausgewogen, fair und sozial zugeht. Das Wort Demokratie vermeide ich bewusst, weil wir eine solche gar nicht haben.

    Eine angebliche Demokratie, die nicht mal Volksabstimmungen zulässt – was ist das überhaupt?

    Hat das mit Angst vor dem Souverän zu tun oder weil es dann mal wenigstens etwas demokratischer zugehen würde, was mit Sicherheit weniger komfortabel wäre als die, besonders von Politikern, klar favorisierte, sogenannte „repräsentative Demokratie“?

    Wer „oben“ angekommen ist, landet automatisch im Prokrustesbett und wird zurecht gestutzt oder lang gemacht, je nach Bedarf. Auch da hat Herr Müller absolut Recht.

    Jeder, der mit noch so hehren Zielen antritt, merkt und versteht sehr schnell, was von ihm (z.B. als Rats-, Land- oder Bundestagsmitglied, erst recht Minister, Kanzler) erwartet wird.

    Beispiel Dobrindt mit „seiner“ Maut oder Landwirtschaftsminister Schmidt bei dem es keine Massentierhaltung, Antibiotikaresistenzen, zu viel Gift in der Agrarindustrie und mangelnden Verbraucherschutz gibt. Lobbyisten haben das Wort.

    Auch Heiko Maas (SPD) darf nicht fehlen mit „seinem“ Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Zensur).

    Seehofer: „Die gewählt sind haben nichts zu sagen und die, die was zu sagen haben, sind nicht gewählt.“

    https://www.youtube.com/watch?v=UBZSHSoTndM

    Das geht schon in den Parteien mit der Auswahl derjenigen los, die genehm sind und ggf. kandidieren dürfen.

    Es ist das uralte Spiel um vermeintliche Macht und auch Geld.

    Dumm nur, dass dies dem Volk (= Staat) als Demokratie verkauft wird, die sich allerdings mit der Stimmabgabe bei einer Wahl, auch schon wieder erschöpft und der Bürger nun zu schweigen hat. Seine Stimme hat er ja abgegeben.

    Den Grund für all dies erklärte Benjamin Disraeli (dreimaliger Premierminister Englands, * 1804, gestorben 1881):

    „Die Welt wird von ganz anderen Personen regiert wie man sich das vorstellt und nur die, welche hinter die Kulissen schauen können, erkennen wer das ist.“

    An den Strippen dieser Personen hinter den Kulissen, die die Richtung bestimmen, hängen all die vermeintlich Mächtigen, die sich für die Eliten halten, denen das Volk (= der Staat), diese Macht in gutem Glauben (oder Dummheit?) per „Wahl“ verliehen und sich dadurch selbst entmündigt hat.

  5. Albrecht Müller schrieb am 18. Mai 2017 um 14:39 Uhr in Demoskopie/Umfragen, DIE LINKE, Strategien der Meinungsmache, Wahlen:

    „Die Strategie der Konservativen, der Neoliberalen und der Militärs: Linke dürfen nirgendwo regieren, und wenn unvermeidbar, dann müssen sie von innen so angepasst werden, dass sie nicht mehr wehtun.

    Wie das läuft, ist an vielerlei zu erkennen: in Griechenland wurde ein Wahlerfolg „umerpresst“, in Frankreich wurde der linke Mélenchon verfolgt und der eigene Mann Macron zum Linksliberalen umgefummelt und hochstilisiert, in Deutschland sind SPD und Grüne bis zum Nicht-mehr-Wiedererkennen auf neoliberal und Militäreinsatz getrimmt worden, Andrea Ypsilanti und ihr mögliches Rot-rot-grünes Bündnis sind von innen heraus kaltgestellt worden, die Rote-Socken-Kampagne wird wieder belebt, um die Linkspartei bei den Wahlen wie in Nordrhein-Westfalen zu dämpfen, und, damit ja nichts passiert, werden die innerparteilichen Gegner der unbeugsamen Linken in der Linkspartei mobilisiert. So wird jetzt wieder einmal gegen Sahra Wagenknecht vorgegangen.“ Zitat Ende

  6. CDU hat gewonnen, Laschet nicht.

    Im Vergleich mit Hannelore Kraft kommt er klar schlechter weg.

    Er wurde lediglich automatisch mit gewählt.

    All inclusive sozusagen.

    http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-05-14-LT-DE-NW/umfrage-kandidat.shtml

  7. Ob man die FDP mag oder nicht. Die ist ein Phänomen.

    Der Spruch: Totgesagte leben länger trifft absolut auf diese Partei zu.

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