Vier weitere Windräder für Viersen • Informationsabend am 07.01.2016 • Tafil Pufja (NEW Re) rückt Konkurrenten in die Nähe von „Hasardeuren“

Karsten Simon [ - Uhr]

Die Mönchengladbacher NEW Re möchte in Viersen im Bereich der Boisheimer Nette bis zu 4 weitere Windräder errichten. Grundlage solle eine noch zu beschließende Änderung des Flächennutzungsplans werden.

Einzelheiten dazu wurden in einer öffentlichen Informationsveranstaltung am 07.01.2016 vorgestellt.

Sowohl die Stadt Viersen als auch die Rheinische Post haben über den Infoabend berichtet:

https://www.viersen.de/de/mitteilung/gut-besuchte-veranstaltung/

http://www.rp-online.de/nrw/staedte/viersen/new-re-plant-vier-200-meter-windraeder-aid-1.5679094 .

Alles war darauf abgestimmt, auch die zahlreichen kritischen Zuhörer von der Notwendigkeit der Windenergienutzung allgemein und natürlich vom Sinn und der Notwendigkeit der zusätzlichen Windräder an der Boisheimer Nette zu überzeugen.

Bereits am Saaleingang lagen Werbebroschüren der staatlichen Energieagentur NRW aus und ein professioneller Moderator der Agentur führte durch die Veranstaltung.

In der lebhaften Diskussion wurden einige wichtige Aspekte des Vorhabens nicht angesprochen, und selbst beide Berichte zusammen geben wesentliche Diskussionsbeiträge nicht oder nur unvollständig wieder.

Insbesondere vermitteln sie nicht das tatsächliche Stimmungsbild des Abends.

Dieser Beitrag schließt diese Lücken.

Der derzeit gültige Flächennutzungsplan der Stadt Viersen definiert das Gebiet an der Grenze zu Schwalmtal zwischen Dülkener Nette und Amerner Weg als einzige Konzentrationszone auf Stadtgebiet mit Ausschlusswirkung für alle übrigen Flächen.

Die Fläche ist mit 4 Windrädern vollständig genutzt, die allerdings nicht der NEW gehören.

Die leitende städtische Bauplanerin Kristina Ohrem erläuterte das Ziel der zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf, in ihrem Bereich 3.500 ha Fläche für Windkraftnutzung auszuweisen.

Dafür müssten alle Kommunen der Windkraft „substantiell Raum geben“.

Im Gegensatz zur Formulierung von Ohrem sind die 3.500 ha aber kein verbindliches Ziel im Sinne von § 3 Raumordnungsgesetz sondern lediglich ein Grundsatz, von dem auch abgewichen werden kann.

Die derzeit in Viersen genutzte Fläche würde das Kriterium „substantiell Raum“ nicht mehr erfüllen.

Die Stadt möchte deshalb eine 65 ha große Fläche im Bereich der Boisheimer Nette zur neuen Konzentrationszone erklären und so zusammen mit der bereits genutzten Fläche dem Kriterium „substantiell Raum“ genügen.

Sie stützt sich dabei auf die von der NEW Re beauftragte und auch bezahlte Potentialstudie (DOWNLOAD)

Andernfalls könnten Windkraft-Investoren von außerhalb die Ausschlusswirkung des bestehenden Flächennutzungsplans gerichtlich anfechten und in der Folge unerwünschte Standorte auf Stadtgebiet durchsetzen.

Es entstünde eine Verspargelung mit Einzelanlagen, die die Stadt nicht mehr verhindern könne.

Tafil Pufja, Geschäftsführer der NEW Re, sprach in diesem Zusammenhang von Hasardeuren, die im Gegensatz zu seinem Unternehmen vor allem auf das schnelle Geld aus sind.

Die NEW Re lege dagegen größten Wert auf transparent geplante und seriös durchgeführte Projekte.

Wo immer möglich, werde deren Akzeptanz in Zusammenarbeit mit örtlichen Geldinstituten durch finanzielle Beteiligungsangebote an die betroffenen Bürger weiter erhöht.

Relativiert wurden die Aussagen von Pufja durch den Hinweis eines Besuchers, dass die vorgestellte Potentialstudie erst auf hartnäckiges Nachfragen der örtlichen Bürgerinitiative öffentlich zugänglich gemacht wurde.

Nicht nur wer die Hinhaltetaktik und die zahlreichen Falschinformationen der NEW Re im Zusammenhang mit den beiden Windradprojekten Buchholzer und Hardter Wald verfolgt hat, wird solchen Sirenengesängen auch ohne Wachspropfen in den Ohren widerstehen (Homer, Argonautensage).

Bei der Festlegung der Ränder des neuen Gebietes werden lediglich 600 m Abstand zur umliegenden Wohnbebauung eingehalten.

Die NEW RE möchte darauf bis zu 4 weitere Windräder der 200 m Klasse errichten und hat sich die möglichen Bauflächen bereits vertraglich gesichert.

Favorisiert werden sog. Schwachwindanlagen wie die Nordex N131 mit 134 m Nabenhöhe und 131 m Rotordurchmesser.

Im Idealfall werden die Baugenehmigungen im Frühjahr 2017 erteilt und die Anlagen bis Ende 2017 fertig errichtet.

Längerfristig will die NEW Re 100 Mio. € in erneuerbare Energien investieren mit Schwerpunkt Windenergie, davon sind 22,3 Mio. € bereits angelegt.

Zur ausreichenden Dämpfung des von diesen riesigen Windrädern ausgehenden Lärms ist ein Abstand von nur 600 m auch im internationalen Vergleich viel zu gering.

Er markiert lediglich die genehmigungsrechtlich gerade noch zulässige Untergrenze (3 x Anlagenhöhe) für ihre optisch bedrängende Wirkung: zwischen den Kölner Dom (157 m) und eine Nordex N131 (200 m) passt sogar noch das Wahrzeichen der Stadt Mönchengladbach, der Wasserturm an der Viersener Straße (51 m).

Wenn der Bau derart großer Windräder nicht genehmigt wird, werden kleinere Anlagen geplant.

Breiten Raum nahm das Thema Infraschall ein.

Insbesondere von Wolfgang Kerstan und Tafil Pufja kamen dazu die bekannten Beschwichtigungen: es gibt keinen Windräder-Baustopp in Dänemark wegen Infraschall,

Infraschall ist überall („Meeresrauschen“), was man nicht hören kann, schadet auch nicht, die Pegel sind unbedenklich usw.

Hier hätte den Mitgliedern des Panels der Verweis auf den inzwischen erkannten Forschungsbedarf (z.B. der UBA Text 40/2014 „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“) sehr viel besser angestanden als der leider immer noch häufige Versuch, die z.T. sehr gut informierten Zuhörer mit solchen durch vielfache Falsifizierung längst wertlos gewordenen Totschlagargumenten ruhig zu stellen.

Ein weiterer Punkt ist die Verhinderung von möglichen Gefälligkeitsgutachten, die ein Investor seinem Bauantrag beilegen kann.

Ein mögliches Mittel dagegen ist die Auswahl des Gutachters durch die Genehmigungsbehörde und nicht durch den Antragsteller.

Auch die Ablehnung dieses ja nicht neuen Vorschlags durch die Herren Droste und Kerstan läuft ins Leere:

Gerade bei Gutachten zu Umweltverträglichkeit und Artenschutz hat die Genehmigungsbehörde normalerweise allenfalls die Beurteilungskompetenz für das Ergebnis, d.h. ob es zu einer Genehmigung des Bauantrags reicht.

Dagegen ist die Bewertung sehr viel schwieriger, ob das Ergebnis selbst überhaupt plausibel ist.

Eine solche Bewertung gehört auch gar nicht zur Prüfaufgabe.

Ebenso ist der Vergleich mit einer baustatischen Berechnung unzutreffend:

Der Statiker wird niemals ein Gefälligkeitsgutachten erstellen. Wenn dann nämlich das berechnete Bauwerk Risse bekommt oder gar einstürzt, muss er sich vor Gericht verantworten, den Schaden bezahlen und verliert u.U. seine Zulassung.

Bei Personenschaden droht ihm sogar Gefängnis.

Ein vom Windradinvestor bezahlter „Gefälligkeitsgutachter“ geht dagegen überhaupt kein Risiko ein.

Zwar muss auch hier der geschädigte Nachbar (Lärm, Schattenwurf, Bedrängung) erst einmal das Prozessrisiko tragen.

Es ist aber ungleich höher und der Kampf gegen einen bei Finanzkraft und juristischer Expertise überlegenen Investor verlangt sehr viel Geld und einen besonders langen Atem. Beides haben nur wenige Betroffene, und das nutzt die beklagte Partei natürlich aus.

Hinzu kommt, dass sie im Normalfall die Genehmigungsbehörde auf ihrer Seite hat, da ein Obsiegen des Klägers auch ihr Versagen im vorangegangenen Genehmigungsverfahren bedeutet.

Vor dem Hintergrund dieser Antworten fragte ein Besucher, wie die Verwaltung dem offenkundigen Misstrauen der Bürger in eine unvoreingenommene und sachgerechte Behandlung des Windradthemas begegnen wolle.

Droste erwiderte, er könne ein solches Misstrauen nicht erkennen.

Ein glattes Eigentor!

Themenreihe: Rechtssicherheit für „Lex NEW“?

 

5 Kommentare zu “
Vier weitere Windräder für Viersen • Informationsabend am 07.01.2016 • Tafil Pufja (NEW Re) rückt Konkurrenten in die Nähe von „Hasardeuren“”
  1. Aus dem NRW Urban Bericht „Konversion 2012 JHQ Rheindahlen“ S. 79 unten:

    „NEW hat großes Interesse an der Realisierung von WKAs in den Freibereichen östlich des Military Hospital. Hier könnten der Studie zur Folge bis zu 5 WKA (2,3 MW) realisiert werden, auf dem Lazarettgelände weitere max. 5 gleich dimensionierte Anlagen. Dies ist jedoch erst nach der vollständigen Aufgabe der Nutzungen auf dem Hospitalareal möglich (700 m-Abstände laut Angabe der NEW).“

    2,3 MW Anlagen haben kleinere Rotoren als die für Viersen von der NEW favorisierten 200 m hohen Nordex N131 (3 MW) Windräder.

    Sie sind deshalb weniger hoch (150 m?, Höhenangabe fehlt).

    Das wirft die Frage auf, ob die NEW Re den Viersener Anwohnern mehr zumuten möchte als den Mönchengladbachern:

    Viersen: 600 m Abstand für 200 m hohe Windräder

    Mönchengladbach: 700 m Abstand für 150 m (?) hohe Windräder

  2. Die 5 Windräder Micon NM60/10.000 im bestehenden Windpark Amerner Feld (Baujahr 2001) sind mit 100 m nur halb so hoch wie die von der NEW Re favorisierten Riesen Nordex N131.

    Google Earth zeigt, dass sie dennoch durchweg ca. 500 m entfernt von der nächsten Wohnbebauung stehen. Lediglich die Anlage an der L372 unterschreitet diesen Abstand geringfügig.

    Hier wurde also noch mit 5x Anlagenhöhe geplant, obwohl alle Emissionen (hörbarer Lärm, Infraschall, Schattenwurf) dieser kleineren Windräder ganz erheblich geringer sind.

    Da hatten die Anwohner dort wohl Glück, dass es damals die NEW Re noch nicht gab.

  3. Frau Ohrem (Bauleitplanung Stadt Viersen) teilt mit, dass folgende Stellungnahmen gem. § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch förmlichen Eingang in das Planverfahren finden:

    1.
    Der Mindestabstand 3x Anlagenhöhe zur nächsten Bebauung lässt die bestimmenden physikalischen Gegebenheiten außer acht. Beispielsweise nimmt die Schallemission mit der Anlagenhöhe überproportional zu: eine 200 m hohe Anlage ist in 600 m Entfernung (= 3x Anlagenhöhe) gerade im niederfrequenten Bereich „lauter“ als eine 150 m hohe Anlage in 450 m Entfernung (ebenfalls = 3x Anlagenhöhe).

    Andere Bundesländer planen mit erheblich größeren Abstandsflächen. Ein solcher Ansatz, der mehr Rücksichtnahme auf die betroffenen Bürger erkennen lässt, wäre vielleicht geeignet, das Misstrauen der Bürger gegenüber einer wirklich transparenten und bürgerfreundlichen Planung der Stadt Viersen bei diesem Vorhaben aufzufangen.

    2.
    Die Stadt Viersen begründet die Planungserfordernis zur Ausweisung der neuen Konzentrationszone einzig damit, dass der Windkraft auf Stadtgebiet derzeit nicht „substantiell Raum“ gegeben werde.

    Es wäre ein Beitrag zur bürgerfreundlichen und transparenten Darstellung dieser ohne weitere Begründung statuierten Planungserfordernis, wenn ihre rechtliche Grundlage in einer auch für den juristischen Laien verständlichen Weise ebenfalls im Internet erläutert würde.

    3.
    Im Sinne der staatlichen Fürsorgepflicht sollten als Maßnahme gegen die Möglichkeit von sog. „Gefälligkeitsgutachten“ die Gutachter für die zur Baugenehmigung erforderlichen Gutachten von der Genehmigungsbehörde beauftragt werden, nicht vom Antragsteller.

  4. Wer behauptet Infraschall ist für den Menschen nicht wahrnehmbar hat anscheinend schon in der Grundschule nicht aufgepasst.

    Die Vernebelungstaktik und Verdrehung von Fakten der NEW ist anscheinend Programm.

    Hier eine kleine Hilfe, die einfach erklärt warum auch nicht hörbare, oder sichtbare Dinge vom Menschen wahrgenommen werden und nicht einfach nur Einbildung sind.

    Link: http://www.helles-koepfchen.de/artikel/2956.html

    „Das Trommelfell wird in Schwingungen versetzt, wenn das menschliche Ohr Schallwellen ausgesetzt ist – wie das gespannte Fell einer Trommel, die angeschlagen wird.
    Der Name für diesen Bestandteil des menschlichen Hörsystems macht also Sinn. Doch wie gelangen die Schallwellen zum Trommelfell und was passiert danach im Inneren des Gehörs?“ (Zitat Ende)

    sowie:

    „Der Weg zum Trommelfell: Die äußerlich sichtbare Hörmuschel hilft den Menschen dabei festzustellen, aus welcher Richtung das Schallsignal kommt. Für Schallsignale, die von hinten kommen, stellt sie ein Hindernis dar, für solche von der Seite und von vorne hingegen wirkt sie wie ein Trichter.“ (Zitat Ende)

    Dann noch ein kleiner, einfacher (3 Minuten Bericht aus dem NDR TV)

    http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Infraschall-gefaehrlich-oder-nicht,shmag37372.html

  5. Und ewig grüßt das Murmeltier.

    Die gute NEW, wie sie leibt und lebt und immer wieder verkaufen will, dass nur sie die „Guten“ sind und die Bürger sich glücklich schätzen dürfen, ja müssen, von dieser und nicht anderen, selbstverständlich alles viel schlechter machenden Investoren, mit Windkraftanlagen „beglückt“ zu werden.

    Eine Frechheit ist diese Aussage: „was man nicht hören kann, schadet auch nicht“.

    Wer hat denen diesen Satz eingeflüstert?

    Gerade was man nicht wahrnimmt ist gefährlich, da man Ohren nicht wie Augen schließen kann und das Gehirn Geräusche, eben alles was über die Ohren wahrgenommen wird, trotzdem verarbeiten muss.

    Dafür sorgen über 15.000 Hörzellen, die die Schallwellen (alle, ohne Ausnahme) ständig aufnehmen und die Signale an das Gehirn weiterleiten, denn das Gehör ist permanent im Einsatz. 24 Stunden am Tag.

    Menschen reagieren unterschiedlich empfindlich.

    Bei Anlagen dieser Dimension (200 Meter!) und nur 600 Meter Abstand, was eine absolute Unverschämtheit ist, kommt Infraschall „nur“ noch on top, denn die von solchen ausgehende Dauerbeschallung ist schon eine Zumutung und kann zu Schlafstörungen und weiteren gesundheitlichen Störungen führen.

    Seltsam ist, dass man nie wieder etwas von den in Jüchen an der Stadtgrenze zu MG-Odenkirchen geplanten Windrädern gehört hat.

    Na ja, dort wohnen die richtigen Leute, die empfindlicher, sensibler sind und deren Häuser, anders als die anderer Anwohner, die sich das nur einbilden, sicher mehr an Wertverlust erleiden würden.

    Merke: alle sind gleich, nur einige sind gleicher.

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